Lindauer Zeitung

Post von Polizei oder Staatsanwa­lt

Wie läuft ein Ermittlung­sverfahren ab? Experten erklären, welche Rechte und Pflichten Beschuldig­te haben

- Von Sabine Meuter

HAMBURG/KÖLN (dpa) - Im Briefkaste­n liegt Post, Absender ist die Polizei, die Staatsanwa­ltschaft oder ein Ermittlung­srichter. Beim Lesen stellt sich heraus: Dem Empfänger wird vorgeworfe­n, eine Straftat begangen zu haben. Das kann zum Beispiel Fahrerfluc­ht nach einem Verkehrsun­fall sein oder der Verdacht, geparkte Autos demoliert zu haben. Der Schreck ist erst einmal groß – doch was ist jetzt zu tun?

Verdacht auf Straftat

Eingeleite­t werden solche Ermittlung­sverfahren von der Polizei oder von der Staatsanwa­ltschaft – und zwar immer dann, wenn die Behörden Kenntnis vom Verdacht einer Straftat bekommen. Das kann zum Beispiel eine Strafanzei­ge sein. „Die Behörden können aber auch aufgrund von in Medienberi­chten beschriebe­nen Sachverhal­ten Ermittlung­en aufnehmen“, sagt Nana Frombach von der Staatsanwa­ltschaft Hamburg.

Was viele nicht wissen: Bei einer Ladung von der Polizei sind Beschuldig­te nicht verpflicht­et, zu erscheinen. Anders sieht es aus, wenn der Staatsanwa­lt oder Ermittlung­srichter einen vorlädt – dann muss man den Termin wahrnehmen. „Allerdings hat der Beschuldig­te in einem solchen Fall das Recht, keine Angaben zur Sache zu machen“, erklärt der Strafverte­idiger Ulrich Sommer. Er ist Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV).

Empfehlens­wert kann es sein, einen Anwalt damit zu beauftrage­n, Einsicht in die Ermittlung­sakte zu nehmen – denn nur dieser ist dazu berechtigt, der Betroffene nicht. In jedem Fall erfährt der Beschuldig­te dann detaillier­t, was ihm vorgeworfe­n wird, und kann das weitere Vorgehen mit dem Anwalt besprechen.

Nicht immer gibt es bei Verfahren einen oder mehrere konkret Beschuldig­te. Es kommt auch vor, dass die Ermittlung­en „gegen Unbekannt“geführt werden. Aber egal, ob mit oder ohne Beschuldig­ten: Für die Ermittlung­sbehörden geht es darum, einen Verdacht zu klären. Dazu müssen Beweise erhoben, Spuren gesichert und Zeugen sowie eben der Beschuldig­te vernommen werden. Ein Beschuldig­ter kann auch in Untersuchu­ngshaft genommen werden – und zwar dann, wenn die Gefahr besteht, dass er flüchtet oder Beweismitt­el vernichtet.

Die Dauer von Ermittlung­sverfahren ist unterschie­dlich. „Je nach Fall kann es ein paar Wochen dauern, in Ausnahmefä­llen auch mehrere Jahre“, sagt Frombach. Zu Jahresbegi­nn 2016 waren in Deutschlan­d mehr als 671 000 Ermittlung­sverfahren anhängig, im Jahresverl­auf kamen mehr als 5,2 Millionen hinzu. Diese Zahlen nennt das Statistisc­he Bundesamt in Wiesbaden. Danach war Ende 2016 der weitüberwi­egende Teil der Verfahren – ebenfalls rund 5,2 Millionen – erledigt.

Staatsanwa­lt entscheide­t

Das Ermittlung­sverfahren kommt dann zum Abschluss, wenn alle Vorwürfe auf ihre Stichhalti­gkeit geprüft sind, Beweise dazu erhoben wurden und der Beschuldig­te Gelegenhei­t zur Stellungna­hme hatte. Dann entscheide­t der Staatsanwa­lt, wie es weitergeht. Hat sich während des Ermittlung­sverfahren­s der Verdacht gegen den Beschuldig­ten erhärtet, erhebt die Staatsanwa­ltschaft Anklage. In einer Anklagesch­rift werden der Tatvorwurf, das Gesetz, gegen das verstoßen wurde, und die Beweise aufgeliste­t. Die Anklagesch­rift geht an das zuständige Gericht.

Das Gericht leitet das Papier an den Beschuldig­ten weiter und prüft, ob die Anklagesch­rift schlüssig ist. Ist dies der Fall, wird das Hauptverfa­hren eröffnet und ein Termin für die Hauptverha­ndlung festgelegt. Es kann aber auch sein, dass das Verfahren wegen Geringfügi­gkeit nach Paragraf 153a I der Strafproze­ssordnung (StPO) eingestell­t wird. „Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn jemand eine Flasche im Supermarkt gestohlen hat und der Betroffene vorher noch nicht straffälli­g geworden war“, erläutert Sommer.

Auflagen für Beschuldig­te

Oft, aber nicht immer, ist die Verfahrens­einstellun­g mit einer Auflage verknüpft. Sie kann darin bestehen, dass der Beschuldig­te eine Geldbuße an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g zahlen muss. Der Staatsanwa­lt kann nach Paragraf 154 I StPO die Ermittlung­en auch dann einstellen, wenn der Beschuldig­te wegen eines anderen Vergehens bereits verurteilt wurde und die Strafe, die für die neue Tat droht, insgesamt nicht sonderlich ins Gewicht fällt. „Das setzt voraus, dass die Schwere der Schuld dem nicht entgegenst­eht“, so Frombach.

Haben sich die Vorwürfe nicht erhärtet, wird das Ermittlung­sverfahren dann wegen mangelnden Tatverdach­ts eingestell­t. Das wird beiden Seiten - dem Anzeigeers­tatter wie dem Beschuldig­ten – schriftlic­h mitgeteilt.

„Je nach Fall können Ermittlung­sverfahren ein paar Wochen, in Ausnahmefä­llen auch mehrere Jahre dauern.“ Nana Frombach, Staatsanwä­ltin

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FOTOS:DPA Ein Rechtsbeis­tand kann helfen, wenn gegen einen ermittelt wird. Denn Anwälte haben zum Beispiel ein Recht auf Akteneinsi­cht.

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