Lindauer Zeitung

Junge Deutsch-Türken auf der Suche nach Heimat

„Taksi to Istanbul“begeistert im Stadttheat­er Lindau

- Von Judith Hildebrand

LINDAU - Eine weiße Kiste wird vom Auto zum Kiosk, steht in Köln in Ungarn und zuletzt in Istanbul. Sibel Polat, Faris Mertehan Yüzbasiolg­u und Harun Ciftci fesseln die jungen Zuschauer im Stadttheat­er Lindau mit ihrer fiktiven Reise zu ihren Wurzeln nach Istanbul. Sie wollen erfahren wie sich Heimat anfühlt.

Gleich zu Beginn des Theaterstü­cks diskutiere­n die drei, unter welchem Motto der Roadtrip stehen soll. Sibel und Faris sehen die Fahrt als eine Heimreise. Sie wollen aber typisch deutsche Dinge wie Schwarzbro­t und den Fan-Schal des 1. FC Köln einpacken. Harun möchte einfach nur in den Urlaub. Er brauche nur eine Badehose und Sonnencrem­e. Das Trio einigt sich schließlic­h auf Heimaturla­ub.

Auf der Reise erzählt Sibel, die wie die anderen im Stück ihren echten Namen trägt, wie ihre Großeltern nach Deutschlan­d kamen. Sie bringt dem Publikum ihre Gefühle und Gedanken vom Heimatgefü­hl in Köln und der Sehnsucht nach Istanbul nahe. Das Erzählte spielen Faris und Harun im Hintergrun­d nach. Sie beschreibe­n, wie es sich anfühlt, als „der Türke“gesehen zu werden, ohne selber zu wissen, wer man eigentlich ist.

Schon die Musik im Auto, ob türkischer oder deutscher Sender, wird zur Identitäts­frage. Als Harun bemerkt, dass sie immer noch nicht losgefahre­n seien, begegnen ihm die andern zwei: „Dann stell’s dir einfach vor!“Sie stellen sich eine Zollkontro­lle an der deutschen Grenze vor, bei der der Zollbeamte die Frage nach der Identität zu klären versucht, und Sibel fühlt sich hilflos, als sie sich ausmalt, wie es ist, in Ungarn die Sprache nicht zu sprechen: „Es fühlt sich an, als ob jemand mir den Boden unter den Füßen wegzieht.“

Schüler stellen Schauspiel­ern viele Fragen

Während des Stücks sitzen die etwa 200 Schüler mit ihren Lehrern gebannt auf ihren Stühlen. Sie lachen, als Sibel Kölner-Karnevalsl­ieder zum besten gibt oder Faris in die Rolle eines Autoradios und Navigation­ssystems schlüpft. Eine Lehrerin sagte, so still habe sie ihre Schüler lange nicht mehr erlebt.

Die Möglichkei­t, den Schauspiel­ern nach der Vorstellun­g Fragen zu stellen, nehmen die Schüler super an und zeigen mit Kompliment­en und vielen Fragen ihre Anerkennun­g.

Der Regisseur Manuel Moser hat mit seinem Team bei der Entwicklun­g des Stücks drei Monate Kinder und Jugendlich­e mit ausländisc­hen Wurzeln befragt. Die dadurch gewonnenen Informatio­nen und Zitate ergänzte Moser durch Erfahrunge­n der Schauspiel­er, die ihre eigenen Geschichte­n und kulturelle Zugehörigk­eit mit verarbeite­n. Taksi to Istanbul ist mittlerwei­le zwar schon fünf Jahre alt, Harun Ciftci ist aber der Meinung, dass das Thema um die Frage von Identität und Heimat im Verlauf der Jahre sogar noch aktueller wurde.

 ?? FOTO: JUDITH HILEBRAND ?? Sibel Polat, Faris Mertehan Yüzbasiolg­u und Harun Ciftci (von links) in ihrer weißen Kiste, die mal zum Auto, mal zum Kiosk oder zum Klassenzim­mer wird.
FOTO: JUDITH HILEBRAND Sibel Polat, Faris Mertehan Yüzbasiolg­u und Harun Ciftci (von links) in ihrer weißen Kiste, die mal zum Auto, mal zum Kiosk oder zum Klassenzim­mer wird.

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