Nur am Samstag war Ruhetag
Nachbar soll sich vor Rentnerin nackt inszeniert haben – Amtsgericht Kempten verhängt Geldstrafe
KEMPTEN - Immer wieder soll er sich vor seiner Nachbarin ausgezogen und selbst befriedigt haben. Meist in seinem Schlafzimmer, so inszeniert, dass die Rentnerin von ihrem Fenster aus freien Blick hatte. Aber auch auf dem Balkon soll er sich präsentiert und obszön bewegt haben – splitterfasernackt. Der Prozess, bei dem sich ein 53-Jähriger nun vor dem Amtsgericht Kempten verantworten musste, drehte sich letztlich auch um eine tote Katze und die Frage, ob der Richter befangen ist. Am Ende muss der Angeklagte wegen fünf Fällen von exhibitionistischen Handlungen eine Geldstrafe in Höhe von 1800 Euro zahlen. Von dem eingangs erhobenen Vorwurf der Bedrohung sah der Staatsanwalt am Ende ab. Auch der Richter sprach den Mann von diesem Anklagepunkt frei.
Der bislang unbescholtene Kemptener bestritt die Vorwürfe vehement: „Das ist absoluter Schwachsinn.“Nicht seine Nachbarin hatte ihn angezeigt, er war im Zuge einer anderen Ermittlung ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Der Mann hatte die 68-Jährige dabei sogar als Zeugin angegeben.
„In voller Pracht“präsentiert
Während ihrer damaligen Aussage hatte sie einer Polizistin von den Vorfällen berichtet. Während des Gerichtsprozesses trat die Rentnerin nun erneut als Zeugin auf. Ihr Nachbar habe sich regelmäßig „in seiner vollen Pracht“präsentiert, sagte sie. „Jeden Abend, außer samstags. Da war Ruhetag.“Die Vorwürfe, die die 68-Jährige erhob, gingen weit über das hinaus, was die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last legte. Die Frau wohnt im Haus gegenüber des Mannes, von ihrem Küchenfenster im Obergeschoss hat sie Einblick in sein Schlafzimmer. Auch abends, wenn sie mit ihren Hunden auf der Wiese zwischen den Häusern Gassi ging, habe der 53-Jährige sie bedrängt, sagte die Zeugin. „Er kam sehr nah an mich heran. So nah, dass wir einmal leider in der Hundeleine verwickelt waren.“Auch auf der Wiese habe er seine Hose bisweilen heruntergezogen. Meist habe sich ihr Nachbar aber in seiner Wohnung entblößt, „Showlicht“ eingeschaltet, den Vorhang gerade nur so weit zugezogen, dass sie freien Blick hatte.
Im Verlauf der Verhandlung beschuldigte die Rentnerin den Angeklagten zudem, ihre Katze vergiftet zu haben: „Mit Sicherheit.“Beobachtet habe sie die Tat aber nicht. Aus Sicht des Verteidigers schlicht eine Unterstellung. Weil der Richter dies nicht ins Protokoll aufnehmen wollte, warf der Anwalt diesem Befangenheit vor. Der Vorwurf wurde zurückgewiesen.
Der Verteidiger nannte die Zeugin unglaubwürdig und warf ihr Belastungseifer vor – also dass sie seinem Mandanten etwas anhängen will. Anders nahm dies der Staatsanwalt wahr. Er sah die Vorwürfe der 68-Jährigen unter anderem dadurch untermauert, dass die Polizei bei einer Durchsuchung in einem anderen Fall auf dem Bett des Mannes einen Laserpointer sowie ein Fernglas gefunden hatte. Nach Angaben einer Beamtin sei ein Spiegel in Richtung des Nachbarhauses ausgerichtet gewesen. Sich selbst habe man darin nicht sehen können.
Auch fanden die Polizisten zwei Videos auf einer Kamera des Angeklagten. Diese zeigten ihn bei sexuellen Handlungen mit Älteren, was laut Staatsanwalt Rückschlüsse auf die Vorlieben des Mannes ziehen lasse. Zudem bestätigte ein weiterer Zeuge, an einem Abend vom Fenster der Rentnerin aus gesehen zu haben, wie sich der Mann nackt selbst befriedigte. „Schönstes Kino“, kommentierte der Zeuge das ironisch. Er sei bei der Frau gewesen, um ihren alten Kühlschrank zu begutachten, den sie verschenkte.
Im Verlauf des Prozesses zeigte sich, dass die Rentnerin auch mit anderen in der Nachbarschaft Streit hat. Der Angeklagte sagte, dass die Frau überdies andere Nachbarn angezeigt habe. Weiter betonte er: „Wie ich mich in meiner Wohnung aufführe, ist meine Sache.“Sein Verteidiger beantragte Freispruch. Er verwies auf widersprüchliche Angaben der Zeugin und eine Aussagegegen-Aussage-Konstellation.
Der Richter verurteilte den 53-Jährigen jedoch wegen exhibitionistischer Handlungen zu 90 Tagessätzen á 20 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.