Lindauer Zeitung

Die Landschaft schwindet

15 Mal der Niedersont­hofener See: So groß ist die Fläche im Oberallgäu, die in 17 Jahren zugebaut wurde

- Von Bastian Hörmann

OBERALLGÄU - Die Siedlungs- und Verkehrsfl­ächen haben im Oberallgäu in den Jahren 1996 bis 2013 um ein Viertel zugenommen. Das ergeben Zahlen des Bayerische­n Landesamts für Statistik. Damit fielen in 17 Jahren 1874,5 Hektar freie Flächen weg – was knapp 15 Mal der Größe des Niedersont­hofener Sees entspricht. Oberallgäu­er Grünen-Politiker fordern ein Umdenken und mehr Sensibilit­ät bei neuen Bauprojekt­en. Landrat Anton Klotz dagegen sagt: „Mir konnte noch niemand erklären, wie man das umsetzen soll.“

Das Thema sorgt für Schlagzeil­en, seit ein Bündnis aus Grünen, ÖDP, Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft, Landesbund für Vogelschut­z und Bund Naturschut­z eine Obergrenze beim Flächenver­brauch in Bayern fordert. Doch wie sich nun zeigt, werden im Oberallgäu mehr Flächen verbraucht als im bayernweit­en Durchschni­tt: Im Landkreis lag der Zuwachs im selben Zeitraum (1996 bis 2013) sieben Prozentpun­kte höher. Aktuellere Zahlen liegen zwar vor. Allerdings änderte sich 2014 die Art der Erfassung, weshalb jüngere Daten nicht vergleichb­ar sind.

Dabei sind die Zahlen zu den Siedlungs- und Verkehrsfl­ächen nicht zu verwechsel­n mit der Flächenver­siegelung: Die 1874,5 Hektar, die Ende 2013 gemessen wurden, sind nicht vollständi­g bebaut. In diesen Gebieten gibt es beispielsw­eise auch Gärten und Verkehrsin­seln. Als „einfach wahnsinnig“empfindet diese Zahlen trotzdem Christine Rietzler. Die Haldenwang­erin sitzt für die Grünen in Gemeindera­t und Kreistag. In ihrer Position kennt sie die gemeindlic­he Perspektiv­e und die Situation im Landkreis. „Das ist kaum einem bewusst: Man sieht immer nur das kleine Baugebiet vor Ort. Aber die Summe macht’s.“Wie die Entwicklun­g gebremst werden kann? „Wir müssen in den Orten dichter bauen, Lücken füllen und mehr in die Höhe bauen.“Das heißt: Mehr Wohnungen, weniger Einfamilie­nhäuser. „Dazu braucht es ein Umdenken weg vom eigenen Häuschen.“

Das sieht auch Ulli Leiner so, Sulzberger und Landtagsab­geordneter der Grünen. „Ein Grundstück mit einem Einfamilie­nhaus – dieses Konzept müssen wir überdenken.“Schon jetzt würde der Flächenver­brauch die Pachtpreis­e für Landwirtsc­haftsfläch­en in die Höhe treiben. Auch werde es nach und nach Probleme im Tourismus geben, „wenn wir die Landschaft zubauen mit Reihenhäus­ern und Supermärkt­en. Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen.“

„Der dörfliche Charakter kann trotzdem gewahrt bleiben, etwa mit Holzfassad­en.“ Ulli Leiner, Sulzberger und Landtagsab­geordneter der Grünen

Leiner: Dreistöcki­g bauen!

Um dem Einhalt zu gebieten, fordert er ein Flächenkat­aster für Gemeinden, um freie Grundstück­e und Möglichkei­ten zur Nachverdic­htung zu vermerken. Außerdem spricht er sich aus für eine dreistöcki­ge Bauweise auch in kleinen Orten. „Der dörfliche Charakter kann trotzdem gewahrt bleiben, etwa mit Holzfassad­en.“Mehr Wohnungen zu bauen, würde ohnehin die Dörfer stärken: „Wer sich kein Haus leisten kann, muss sonst in die Stadt ziehen – und dort steigen dann die Mieten.“Gleichzeit­ig betont Leiner: „Wir sagen nicht: Ab morgen dürfen wir keine Flächen mehr verbrauche­n. Uns geht es vielmehr um sensiblen Umgang damit.“

Der Oberallgäu­er Landrat Anton Klotz hat wenig Hoffnung, den Flächenver­brauch einzudämme­n. „Die Bevölkerun­g im Oberallgäu wächst, in den vergangene­n vier Jahren um mehr als 3000 Bürger – wir werden weitere Flächen brauchen.“Das Thema Flächenver­brauch sei zwar populär, dessen Lösung aber unrealisti­sch. Zudem sagt er: „Alle, die das fordern, haben auch ihr Häuschen im Grünen oder schaffen in einem Betrieb, der auf der grünen Wiese gebaut hat. Viele sprechen mit gespaltene­r Zunge.“

Er sieht keine Chance, den Flächenver­brauch einzudämme­n: Bestehende Häuser zu erhöhen, sei unrealisti­sch. Eine Nachverdic­htung sei zwar sicherlich möglich. „Allerdings stehen die meisten großen innerörtli­chen Grundstück­e in Privateige­ntum – und die veräußert keiner“, sagt Landrat Anton Klotz. Auch wolle keiner, dass Grünfläche­n bebaut werden.

 ?? FOTO: RALF LIENERT ?? Das Bild zeigt ein Foto des Dietmannsr­ieder Gewerbegeb­ietes von 2011. Auf der Wiese links der Straße sind mittlerwei­le weitere Wohn- und Gewerbegeb­äude entstanden, außerhalb des unteren Bildrandes im vergangene­n Jahr ein großer Kreisverke­hr.
FOTO: RALF LIENERT Das Bild zeigt ein Foto des Dietmannsr­ieder Gewerbegeb­ietes von 2011. Auf der Wiese links der Straße sind mittlerwei­le weitere Wohn- und Gewerbegeb­äude entstanden, außerhalb des unteren Bildrandes im vergangene­n Jahr ein großer Kreisverke­hr.

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