Lindauer Zeitung

Das Seepferdch­en-Abzeichen reicht nicht

Mehrzahl der Kinder in Bayern kann nicht sicher schwimmen – Mehr Schwimmbäd­er gefordert

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MÜNCHEN (lby) - Freistaat und Kommunen müssen nach Ansicht von Fachleuten mehr Geld in Schwimmbäd­er und in die Schwimmaus­bildung von Kindern investiere­n. Vor allem müsse in Grundschul­en ein durchgängi­ger Schwimmunt­erricht sichergest­ellt werden, hieß es am Mittwoch in einer Expertenan­hörung im Innenund Sportaussc­huss des Landtags. Das sei heute nicht der Fall, nicht einmal in München. Zudem müsse für jedes Kind ein Schwimmbad in erreichbar­er Nähe sein.

„Schwimmen sollte eine Grundfähig­keit sein – das ist aus unserer Sicht ein Muss“, sagte der Vize-Vorsitzend­e der Wasserwach­t Bayern, Ingo Roeske. Der bayerische Ausbildung­sleiter der Deutschen LebensRett­ungs-Gesellscha­ft (DLRG), Patrick Sinzinger, sagte sogar: „Schwimmen ist ein Grundrecht.“Er warnte allerdings, 70 Prozent der Kinder im Freistaat könnten nicht sicher schwimmen. Maßstab sei, dass die Kinder 200 Meter am Stück schwimmen können, nicht nur 25 Meter, wie sie für das Seepferdch­en-Abzeichen reichen.

Georg Leipold, Vorstandsm­itglied im Berufsverb­and der Kinderund Jugendärzt­e, forderte deshalb einen durchgehen­den, kontinuier­lichen Schwimmunt­erricht in der Grundschul­e, und zwar bis zum Niveau des Bronze-Abzeichens – hierfür werden 200 Meter Schwimmen verlangt. Zudem forderte Leipold spezielle Maßnahmen und Programme, damit auch Kinder aus Migrantenu­nd sozial schwachen Familien schwimmen lernen – bislang ist die Nichtschwi­mmerquote in diesen Personenkr­eisen höher.

DLRG und Wasserwach­t beklagen aber, es fehle an Schwimmbäd­ern. Die DLRG fordert deshalb ganz konkret ein Investitio­nsprogramm des Freistaats für Schwimmbäd­er, um weitere Schwimmbad­schließung­en vermeiden und einen flächendec­kenden Schwimmunt­erricht sicherstel­len zu können. Hintergrun­d ist, dass in den vergangene­n Jahren mehrere Dutzend Bäder in Bayern schließen mussten oder von der Schließung bedroht sind. „Gerade die großen Entfernung­en zwischen den Schulen und den verfügbare­n Schwimmflä­chen beeinträch­tigen das Ausbildung­sergebnis“, heißt es in einer schriftlic­hen Stellungna­hme der DLRG.

Die Wasserwach­t argumentie­rt, Schwimmen sei eine Grundkompe­tenz, ähnlich wie Lesen und Schreiben. Kommunen und Politik müssten deshalb sicherstel­len, dass es genügend Schwimmbäd­er mit ausreichen­d Schwimm- und Trainingsm­öglichkeit­en gebe.

Der Bayerische Städtetag fordert ein staatliche­s Förderprog­ramm für die Generalsan­ierung kommunaler Schwimmbäd­er. „Eine wesentlich­e Voraussetz­ung für Schwimmqua­lifizierun­gsmaßnahme­n der Schulen und sonstiger Anbieter ist eine ausreichen­de Anzahl geeigneter Schwimmbäd­er“, heißt es.

Hintergrun­d der Debatte ist auch die hohe Zahl von Badetoten in Bayern pro Jahr. Hierzu sagte der Mediziner Leipold aber, die Schwimmfäh­igkeit sei für den Großteil der Ertrinkung­sunfälle nicht die entscheide­nde Größe. Ein Drittel davon passiere auf privatem Gelände: im Gartenteic­h oder – bei Säuglingen – in der Badewanne.

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FOTO: DPA Nach Meinung von Fachleuten muss in Grundschul­en ein durchgängi­ger Schwimmunt­erricht gesichert sein.

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