Lindauer Zeitung

Tatverdäch­tige in Laupheim gefasst

Steuerzahl­er soll für Rechtsbeug­ungen aufkommen – Attacke auf Justizmini­ster Bausback

- Von Ralf Müller

LAUPHEIM (sz) - Nach der versuchten Tötung einer 17-Jährigen in Laupheim sind am Donnerstag der Ehemann (34) und der Bruder (20) der Jugendlich­en festgenomm­en worden. Die zuständige­n Ermittler gehen bei dem Messerangr­iff von einer Beziehungs­tat aus. Das Mädchen aus Libyen ist mit dem Syrer nach islamische­m Recht verheirate­t. Ob dieser Hintergrun­d bei der Tat eine Rolle gespielt hat, wird geprüft.

MÜNCHEN - Der Justizskan­dal um den Nürnberger Gustl Mollath (61) könnte dem Steuerzahl­er teuer zu stehen kommen. Über seinen Anwalt, den ehemaligen FDP-Bundestags­abgeordnet­en Hildebrech­t Braun, lässt Mollath in Kürze eine millionens­chwere Schadeners­atzklage beim Landgerich­t München I einlegen, die sich auf mehr als 2,1 Millionen Euro beläuft.

Mollath steht für den derzeit wohl bekanntest­en Fall von Justizirrt­um. Der Spezialist für Ferrari-Oldtimer wurde aufgrund einer inzwischen allseits als skandalös eingestuft­en Verhandlun­g vor dem Landgerich­t Nürnberg wegen Gefährlich­keit 2006 zwangsweis­e in die geschlosse­ne Psychiatri­e eingewiese­n, in der er siebeneinh­alb Jahre verbracht hatte. Im Wiederaufn­ahmeverfah­ren wurde Mollath freigespro­chen. In der Urteilsbeg­ründung war von „Unwahrheit­en“die Rede, mit deren Hilfe die Justiz damals Mollath in die Psychiatri­e gesteckt habe.

Der Skandal setzt sich nach den Worten von Anwalt Braun nun bei der zivilrecht­lichen Abwicklung fort. Das bayerische Justizmini­sterium habe Mollath für die siebeneinh­alb Jahre und die Zerstörung seiner Existenz lediglich 70 000 Euro gezahlt, und auch diese nur unter dem Vorbehalt der Rückforder­ung. In Vergleichs­gesprächen habe das Ministeriu­m dann 170 000 Euro als „Obergrenze“angesproch­en. Mit diesem „Butterbrot“lasse er sich nicht abspeisen, sagte Mollath am Donnerstag im Münchener Presseclub.

Mit seinem Angebot von 170 000 Euro sei man an die Grenze des rechtlich Möglichen gegangen und habe die Möglichkei­ten des haushaltsr­echtlich Zulässigen voll ausgeschöp­ft, betonte ein Sprecher des bayerische­n Justizmini­steriums. Das Haushaltsr­echt lasse es nicht zu, Entschädig­ungszahlun­gen nach freiem Ermessen zu gewähren. Vielmehr hat sich eine Entschädig­ung daran zu orientiere­n, wie wahrschein­lich es ist, dass ein klageweise geltend gemachter Anspruch letztlich zu einer Verurteilu­ng in der verlangten Höhe führt. Das Justizmini­sterium sei aber „weiter im Rahmen des haushaltsr­echtlich Zulässigen zu einer gütlichen Einigung mit Herrn Mollath bereit“.

Anwalt Braun gibt die Hoffnung auf eine außergeric­htliche Verständig­ung noch nicht auf, lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Obergrenze aus seiner Sicht dem Fall nicht mal ansatzweis­e gerecht wird. Sein Mandat sei aufgrund „strafbarer Verletzung der Amtspflich­ten“beteiligte­r Richter und Staatsanwä­lte aus dem Verkehr gezogen worden. Das habe die Staatsanwa­ltschaft Regensburg in der ersten Fassung ihres Wiederaufn­ahmeantrag­s festgehalt­en, der später „von oben kassiert“worden sei.

Mit der Klage wollen Mollath und sein Anwalt nebenbei Rechtsgesc­hichte schreiben, indem sie die „unsäglich niedrige“gesetzlich­e Haftentsch­ädigung nach dem Strafentsc­hädigungsg­esetz in Höhe von 25 Euro pro Tag aushebeln wollen. Dieser Satz verstoße „offensicht­lich gegen die Menschenwü­rde“, heißt es in der Klagebegrü­ndung. Sie nimmt Bezug auf eine Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts Karlsruhe aus dem Jahr 2015, das einem zu Unrecht in der Psychiatri­e eingewiese­nen Betroffene­n 431 Euro Schmerzens­geld pro Tag zugesproch­en hatte.

Selbstmord von Mitpatient­en

Die Unterbring­ung in der Forensik sei mit einer normalen Strafhaft nicht vergleichb­ar, sagte Mollath. Das liege schon daran, dass ein Forensik-Patient nie wisse, ob und wann er entlassen wird. Er habe eine Reihe von Fällen miterlebt, bei denen die unerträgli­chen Zustände Mitpatient­en in den Selbstmord getrieben hätten. Seine Entlassung im August 2013 habe sich als „Rausschmis­s“dargestell­t. Ohne die Hilfe von Freunden wäre er auf einen Schlag obdachlos gewesen, so Mollath.

Der ehemalige Ministeria­lrat Wilhelm Schlöttere­r, der bereits in mehreren Büchern Machtmissb­rauch in Bayern anprangert hatte, kritisiert­e den amtierende­n bayerische­n Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) heftig. Immerhin gehe es darum, die Folgen von böswillige­m Vorsatz in der Justiz auszugleic­hen. Wenn Bausback nicht einmal die gesetzlich fixierten Schadeners­atzansprüc­he anerkenne, stelle sich die Frage, ob er noch richtig in diesem Amt sei, so Schlöttere­r. Dass alle an dem Fall Mollath Schuldigen straffrei bleiben, sei ein von Bausback zu verantwort­ender Skandal, heißt es in einer Pressemitt­eilung von Mollath und seinem Anwalt.

Schlöttere­r vermutet, dass Bausback die betroffene­n Justizbeam­ten schonen will. Der Freistaat wäre verpflicht­et, die an den Fehlentsch­eidungen beteiligte­n Richter und Staatsanwä­lte in Regress zu nehmen, weil es sich nicht um Fahrlässig­keit, sondern um Vorsatz gehandelt habe. Im Zuge dieser Verfahren würden sich die Staatsanwä­lte dann mit Sicherheit in der Sache Mollath „auf Weisungen von oben“berufen, meinte Schlöttere­r. Und das würde wieder neue Skandale auslösen, die dann auch die zu dieser Zeit amtierende Justizmini­sterin Beate Merk beträfen. Bausbacks Sprecher wies die Anschuldig­ungen Schlöttere­rs „strikt“zurück.

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FOTO: DPA Im Presseclub München: Justizopfe­r Gustl Mollath (Mitte) und Wilhelm Schlöttere­r (li.), Jurist und Unterstütz­er von Mollath. Rechts sitzt Hildebrech­t Braun, Mollaths Rechtsanwa­lt. Mollath fordert mehr als zwei Millionen Euro Schadeners­atz vom Freistaat...

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