Lindauer Zeitung

Freistaat ist moderner als von der CSU erwartet

Studienerg­ebnisse zu den Einstellun­gen der Bayern verblüffen Forscher

- Von Barbara Just

(KNA) - Kaum war die Bundestags­wahl mit den ernüchtern­den Ergebnisse­n für die Volksparte­ien vorbei, wollte es die CSUnahe Hanns-Seidel-Stiftung wissen: Wenigstens für Bayern sollte ergründet werden, wie die Bürger ticken. Wie identifizi­eren sie sich politisch, was interessie­rt sie und vor allem wie informiere­n sie sich? Mehr als 2000 Personen wurden im Oktober 2017 befragt. Das am Donnerstag in München vorgelegte Ergebnis verblüfft, denn: „Die Bayern sind moderner als in weiten Teilen von der CSU vermutet“, lautete ein Fazit von Matthias Jung, Geschäftsf­ührer der Forschungs­gruppe Wahlen.

Nicht nur in Sachen Wirtschaft und Arbeit ist der Freistaat spitze, auch in der gesellscha­ftspolitis­chen Einstellun­g hat sich die Bevölkerun­g weiterentw­ickelt. Der Normalbürg­er sei „relativ tolerant“, betonte Jung. So sind 57 Prozent der Menschen im Freistaat überzeugt, dass immer noch „zu wenig“für die Ganztagsbe­treuung von Kindern getan werde. Nicht nur unmittelba­r betroffene Eltern sind dieser Ansicht, auch Rentner und Kinderlose. Anhänger aller Parteien seien sich darin einig, selbst jene der AfD.

Anders sieht es beim Thema „Einglieder­ung von Ausländern“aus. Erwartungs­gemäß meinen die Anhänger der AfD mit bis zu 71 Prozent, dass hier „zu viel“getan werde. Das entspricht jedoch nicht der Einstellun­g der Gesamtbevö­lkerung. Die stuft das Tun mit 41 Prozent als „zu wenig“ein, weitere 28 Prozent sehen es als „gerade richtig“an. Differenzi­ert nach Parteinähe sagen selbst CSU-nahe Befragte zu 32 Prozent, dass „zu wenig“getan werde, bei den Freien Wählern glauben dies 41 Prozent, bei der FDP 53, bei den SPD 54 und bei den Grünen 74.

Vor allem die unter 60-Jährigen hätten es gern, dass die Politik in Sachen Integratio­n noch mehr macht. Die ältere Generation hat dafür weniger übrig. Bei der Energiewen­de bemängelt eine Mehrheit quer über alle Parteigäng­er mit Ausnahme der AfD ein zu geringes Engagement.

Die gesamtgese­llschaftli­che Modernität stehe dabei nicht im Widerspruc­h zur Heimatverb­undenheit, erläuterte Jung. Deutlich geworden sei nämlich, dass sich die Bürger zu 58 Prozent stark verbunden fühlten mit ihrer Region und zu 54 Prozent mit Bayern.

Wer jedoch glaubt, dass der weißblaue Freistaat nach wie vor eine untrennbar­e Gefühlsein­heit aus Land, CSU und Kirche sei, irrt. Denn ernüchtern­d sind die Aussagen zum Vertrauen in öffentlich­e und staatliche Institutio­nen. Nach acht davon war gefragt worden. Die Polizei schaffte es auf Platz Eins. Die Kirchen landeten an letzter Stelle, noch hinter den Parteien und Medien.

Für letztere gibt es aber Hoffnung. Von der rechtspopu­listischen Klage über die „Lügenpress­e“lässt sich der Großteil der Bevölkerun­g nicht beeindruck­en. Alle Altersgrup­pen betonen mit weit über 60 Prozent und mehr die Glaubwürdi­gkeit des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks und der regionalen sowie überregion­alen Zeitungen in Bezug auf die Politikber­ichterstat­tung. Selbst die jüngere Generation attestiert dies, auch wenn sie vor allem im Internet zu Hause ist. Die Sozialen Medien schmieren dagegen ab. Wer nur auf sie setzt, lebt in einer Blase und wird am Ende stets von seinesglei­chen in der Meinung bestätigt.

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FOTO: DPA Bei der Kinderbetr­euung sind sich fast alle einig: Es gibt immer noch zu wenige Angebote.

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