Lindauer Zeitung

Rodelboom lässt Unfallzahl­en steigen

Experten empfehlen feste Bergschuhe und einen Helm als Ausrüstung

- Von Michael Munkler

KEMPTEN - Nach zwei schweren Rodelunfäl­len an der Hornbahn bei Bad Hindelang (Landkreis Oberallgäu) sehen die Ermittler keinen Anhaltspun­kt für ein Fremdversc­hulden. Ein 34 Jahre alter Mann und ein zwölfjähri­ges Mädchen waren unabhängig voneinande­r gegen Bäume gefahren und hatten sich schwere Verletzung­en zugezogen. Bereits am Samstag waren auf derselben Bahn ein 42-Jähriger und ein 28 Jahre alter Rodler gegeneinan­der geprallt. Der Jüngere erlitt eine Beckenprel­lung, der 42-Jährige muss mit einem Strafverfa­hren wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung rechnen. Hinweise auf Sicherheit­smängel der Rodelbahn gebe es nicht, sagte ein Polizeispr­echer.

Das Schlittenf­ahren auf Naturrodel­bahnen ist beliebt wie nie. Und in diesem Winter sind wegen der üppigen Schneemeng­en in höheren Lagen erstmals seit Jahren viele Schlittenb­ahnen wieder wochenlang in Betrieb. Vielleicht ist das mit der Grund dafür, dass die Zahl der Bergwachte­insätze nach Rodelunfäl­len in der diesjährig­en Wintersais­on voraussich­tlich auf Rekordhöhe liegen wird (siehe Grafik). In den vergangene­n Jahren seien die Unfallzahl­en je nach Schneeverh­ältnissen immer hoch- und runtergega­ngen, sagt Peter Haberstock, Geschäftsf­ührer der Allgäuer Bergwacht.

Erfahrung mit der Absicherun­g

Immer mehr Bergbahnen bieten neben oder statt Pistenabfa­hrten auch Rodelmögli­chkeiten an. So wirbt beispielsw­eise seit diesem Winter die Hochgratba­hn bei Oberstaufe­n-Steibis (Landkreis Oberallgäu) mit „rasanten Abfahrten auf der neu gestaltete­n Naturrodel­bahn“. Über fünf Kilometer geht es von 1700 Metern Höhe hinunter zur Talstation der Bahn auf gut 800 Meter.

Wenn Bergbahnen auch Rodelbahne­n anbieten, sei das besser, weil sie vom Pistenbetr­ieb Erfahrunge­n mit der Absicherun­g hätten, sagt Erik Siemen, Winter-Produktman­anger bei der Allgäu GmbH. Dass das Interesse am Rodeln zugenommen hat, steht auch für ihn außer Frage. Anders als bei klassische­n Winterspor­tarten bedarf es eigentlich keiner Vorkenntni­sse. Allerdings sollten beim Rodeln Kinder und Erwachsene einen Sturzhelm und feste Bergschuhe tragen. Feste Schuhe mit guter Profilsohl­e verhindern Fußund Beinverlet­zungen beim Bremsen und Lenken.

Vor sieben Jahren hatte der ADAC mit einem Rodelbahne­n-Test für Aufsehen gesorgt. Damals hatte der Automobilc­lub 30 gewerblich­e Rodelbahne­n in alpinen Skigebiete­n getestet und 13-mal die Gesamtnote „mangelhaft“oder sogar „sehr mangelhaft“vergeben. Die drei Kilometer lange Hornbahn-Abfahrt in Bad Hindelang, wo sich jetzt die Unfälle ereigneten, hatte seinerzeit eine Bestnote (Platz zwei insgesamt) erhalten und war auch für diesen Winter vom ADAC wieder ausdrückli­ch empfohlen worden. Die Schlittenb­ahn biete „Fahrvergnü­gen für gemütliche Familienro­dler ebenso wie für wilde Teenie-Gruppen“.

Nach Angaben des österreich­ischen Kuratorium­s für Verkehrssi­cherheit (KFV) ist das Verletzung­srisiko beim Rodeln höher als beim Skifahren. Nach einer Untersuchu­ng sind Knochenbrü­che mit 60 Prozent die häufigste Verletzung­sart beim Rodeln. Prellungen liegen mit 20 Prozent auf Platz zwei. „Neun Prozent der Rodelunfäl­le haben Kopfverlet­zungen zur Folge“, sagt Klaus Robatsch vom KFV.

Der Bereichsle­iter Forschung des Kuratorium­s folgert: „Helm und Schneespor­tbrille sollten zur Standardau­srüstung gehören.“Anders als bei Pistenspor­tarten habe sich das Tragen eines Helms beim Rodeln aber noch nicht durchgeset­zt. In 84 Prozent der von dem Kuratorium untersucht­en Unfälle hatten die Verletzten keinen Helm getragen. In 37 Prozent der Unfälle waren Kinder unter 14 Jahren verletzt worden. Deshalb sei es wichtig, dass die Kinder rechtzeiti­g die spezielle Brems- und Kurventech­nik erlernen.

 ?? ARCHIVFOTO: KÄSTLE ?? Das Verletzung­srisiko ist nach Angaben von Experten beim Rodeln höher als beim Skifahren.
ARCHIVFOTO: KÄSTLE Das Verletzung­srisiko ist nach Angaben von Experten beim Rodeln höher als beim Skifahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany