Rodelboom lässt Unfallzahlen steigen
Experten empfehlen feste Bergschuhe und einen Helm als Ausrüstung
KEMPTEN - Nach zwei schweren Rodelunfällen an der Hornbahn bei Bad Hindelang (Landkreis Oberallgäu) sehen die Ermittler keinen Anhaltspunkt für ein Fremdverschulden. Ein 34 Jahre alter Mann und ein zwölfjähriges Mädchen waren unabhängig voneinander gegen Bäume gefahren und hatten sich schwere Verletzungen zugezogen. Bereits am Samstag waren auf derselben Bahn ein 42-Jähriger und ein 28 Jahre alter Rodler gegeneinander geprallt. Der Jüngere erlitt eine Beckenprellung, der 42-Jährige muss mit einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung rechnen. Hinweise auf Sicherheitsmängel der Rodelbahn gebe es nicht, sagte ein Polizeisprecher.
Das Schlittenfahren auf Naturrodelbahnen ist beliebt wie nie. Und in diesem Winter sind wegen der üppigen Schneemengen in höheren Lagen erstmals seit Jahren viele Schlittenbahnen wieder wochenlang in Betrieb. Vielleicht ist das mit der Grund dafür, dass die Zahl der Bergwachteinsätze nach Rodelunfällen in der diesjährigen Wintersaison voraussichtlich auf Rekordhöhe liegen wird (siehe Grafik). In den vergangenen Jahren seien die Unfallzahlen je nach Schneeverhältnissen immer hoch- und runtergegangen, sagt Peter Haberstock, Geschäftsführer der Allgäuer Bergwacht.
Erfahrung mit der Absicherung
Immer mehr Bergbahnen bieten neben oder statt Pistenabfahrten auch Rodelmöglichkeiten an. So wirbt beispielsweise seit diesem Winter die Hochgratbahn bei Oberstaufen-Steibis (Landkreis Oberallgäu) mit „rasanten Abfahrten auf der neu gestalteten Naturrodelbahn“. Über fünf Kilometer geht es von 1700 Metern Höhe hinunter zur Talstation der Bahn auf gut 800 Meter.
Wenn Bergbahnen auch Rodelbahnen anbieten, sei das besser, weil sie vom Pistenbetrieb Erfahrungen mit der Absicherung hätten, sagt Erik Siemen, Winter-Produktmananger bei der Allgäu GmbH. Dass das Interesse am Rodeln zugenommen hat, steht auch für ihn außer Frage. Anders als bei klassischen Wintersportarten bedarf es eigentlich keiner Vorkenntnisse. Allerdings sollten beim Rodeln Kinder und Erwachsene einen Sturzhelm und feste Bergschuhe tragen. Feste Schuhe mit guter Profilsohle verhindern Fußund Beinverletzungen beim Bremsen und Lenken.
Vor sieben Jahren hatte der ADAC mit einem Rodelbahnen-Test für Aufsehen gesorgt. Damals hatte der Automobilclub 30 gewerbliche Rodelbahnen in alpinen Skigebieten getestet und 13-mal die Gesamtnote „mangelhaft“oder sogar „sehr mangelhaft“vergeben. Die drei Kilometer lange Hornbahn-Abfahrt in Bad Hindelang, wo sich jetzt die Unfälle ereigneten, hatte seinerzeit eine Bestnote (Platz zwei insgesamt) erhalten und war auch für diesen Winter vom ADAC wieder ausdrücklich empfohlen worden. Die Schlittenbahn biete „Fahrvergnügen für gemütliche Familienrodler ebenso wie für wilde Teenie-Gruppen“.
Nach Angaben des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) ist das Verletzungsrisiko beim Rodeln höher als beim Skifahren. Nach einer Untersuchung sind Knochenbrüche mit 60 Prozent die häufigste Verletzungsart beim Rodeln. Prellungen liegen mit 20 Prozent auf Platz zwei. „Neun Prozent der Rodelunfälle haben Kopfverletzungen zur Folge“, sagt Klaus Robatsch vom KFV.
Der Bereichsleiter Forschung des Kuratoriums folgert: „Helm und Schneesportbrille sollten zur Standardausrüstung gehören.“Anders als bei Pistensportarten habe sich das Tragen eines Helms beim Rodeln aber noch nicht durchgesetzt. In 84 Prozent der von dem Kuratorium untersuchten Unfälle hatten die Verletzten keinen Helm getragen. In 37 Prozent der Unfälle waren Kinder unter 14 Jahren verletzt worden. Deshalb sei es wichtig, dass die Kinder rechtzeitig die spezielle Brems- und Kurventechnik erlernen.