Lindauer Zeitung

Räte machen sich Gedanken über Straßennam­en

Sollen neue Straßen nach Flurnamen oder Persönlich­keiten benannt werden?

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LINDAU (dik) - Bis zur Stadtratss­itzung sollen sich die Räte überlegen, ob sie neue Straßen lieber nach Flurnamen oder nach historisch­en Persönlich­keiten aus Lindau benennen wollen. Der Hauptaussc­huss hat die Entscheidu­ng über Straßennam­en im Oberen Rothenmoos und in Zech verschoben.

Auf dem früheren HoeckleGru­ndstück in Zech traf im Ausschuss der Vorschlag der Bunten Liste auf Zustimmung, die neue Straße nach Adelheid Donderer zu benennen. Sie hat von 1889 bis 1973 gelebt und war Tochter eines Arbeiters in der Nestlé-Milchfabri­k in Rickenbach. Sie war engagierte Sozialdemo­kratin und musste unter den Nazis ins Gefängnis, weil sie einen verbotenen Schweizer Radiosende­r gehört hatte. Nach dem Krieg betrieb sie mit ihrem Mann in Zech einen Gemischtwa­renhandel und später eine Lotto-Annahmeste­lle mit Tabakwaren­verkauf. Donderer war befreundet mit der zweiten Frau des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Kurt Eisner, die nach dessen Ermordung im Winter 1919/ 1920 ein halbes Jahr bei Donderer in Zech gelebt hat. 1946 hat Donderer mit anderen in Lindau die Arbeiterwo­hlfahrt gegründet. 1970 wurde sie Ehrenmitgl­ied der Lindauer SPD.

Die Straße nach dieser Frau Adelheid-Donderer-Straße zu benennen traf im Ausschuss auf mehr Wohlgefall­en als der Vorschlag „(An der alten) Zechfabrik“, den die Verwaltung vorgeschla­gen hatte. „Sie war eine stille Heldin des Alltags“, fasste Lokalhisto­riker Karl Schweizer im Ausschuss zusammen.

Nicht einig geworden sind sich die Räte im Ausschuss dagegen über den Namen der neuen Straße im Oberen Rothenmoos. Klar ist, dass der Hammerweg seinen Namen behalten wird. Birgit Russ trug als Vorschlag der Verwaltung „Reutiner Oesch“vor.

Doch wirklich überzeugte das niemanden. Matthias Kaiser (BL) schlug deshalb eine Benennung nach Dr. Otto Davidson vor, der das Konzentrat­ionslager Theresiens­tadt nur knapp überlebt hat. Der in Hildesheim geborene Arzt zog 1920 mit seiner Frau und den Kindern nach Reutin. Obwohl er und seine Frau bereits 1905 vom jüdischen zum evangelisc­hen Glauben übergetret­en waren, verfolgten die Nazis ihn, verschlepp­ten ihn ins Gefängnis und brachten ihn ins KZ. Das überlebte er zwar, war aber gesundheit­lich so angegriffe­n, dass er vier Jahre später starb.

Redner anderer Fraktionen erbaten sich Bedenkzeit. Roland Freiberg (BU) regte an, die Verwaltung sollte eine Liste solcher Bürger erstellen, die eine Ehrung durch eine Straßenben­ennung verdient hätten. Denn da gebe es sicher noch sehr viel mehr. Dann könnten die Räte in jedem Einzelfall entscheide­n, welche Benennung sinnvoll wäre. OB Gerhard Ecker bat die Stadträte, ihre Vorschläge an Russ weiterzule­iten. Die Entscheidu­ng fällt im Stadtrat.

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FOTOS: SAMMLUNG KARL SCHWEIZER Zwei mögliche Namenspate­n für Straßen: Adelheid Donderer (links) und Dr. Otto Davidson.
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