Lindauer Zeitung

Biber legen Bäume um

Die Tiere leben mittlerwei­le überall im Oberallgäu – Mancherort­s richten sie großen Schaden an

- Von Silvia Reich-Recla

OBERALLGÄU - Zwei große Laubbäume liegen auf einer Wiese zwischen Rettenberg und Immenstadt. Die Stämme sind nicht gefällt, sondern offensicht­lich durchgenag­t worden. Von einer „Mammutarbe­it“spricht unser Leser Horst Kremel aus Blaichach. Er fragt: „Wer stoppt den Biber?“. Der dritte Stamm sei schon angenagt, ein alter, großer Baum mit einem Umfang von 3,50 Metern.

Gestoppt wird der Biber in solch einem Fall wohl nicht. Zum einen ist der Nager streng geschützt, zum anderen gehört die Wiese, durch die der Rossbach dort fließt, dem Freistaat. Schadeners­atz wird dort keiner verlangen. Anders wäre das bei privatem Eigentum. 24 Euro gibt es beispielsw­eise für eine Buche mit einem Stammumfan­g von einem Meter, steht im „Leitfaden für Biberschäd­en“. Lächerlich wenig, sagen dazu Landwirte – und melden Schäden gar nicht mehr. Ein sogenannte­s „Bibermanag­ement“sollte Abhilfe schaffen. Das versprach Landrat Anton Klotz 2016. Aber passiert ist immer noch nichts.

Flächendec­kend verbreitet

Solch ein „Bibermanag­ement“sei sehr aufwendig, sagt der Landrat auf Nachfrage und würde „ungefähr 30 000 Euro kosten“. Und weil die Biberpopul­ation noch nicht so hoch wie beispielsw­eise im Donauberei­ch ist, sei ein Bibermanag­ement deshalb im Oberallgäu „noch nicht so dringend“. Ohne Management­plan gibt es aber auch keinen genauen Überblick über die Population.

„Jedenfalls ist der Biber im Landkreis Oberallgäu mittlerwei­le bis Oberstdorf flächendec­kend verbreitet“, sagt Landratsam­ts-Pressespre­cherin Brigitte Klöpf. Sie nennt zudem Zahlen: Biberschäd­en in Höhe von 1844 Euro sind 2017 im Oberallgäu anerkannt worden. Ob die Summe auch in voller Höhe ausbezahlt wird, hänge aber davon ab, wie viele Schäden bayernweit gemeldet wurden.“450 000 Euro stehen jährlich im landesweit­en Biberfonds bereit. 2016 wurden aber beispielsw­eise Zerstörung­en in Höhe von 600 000 Euro gemeldet. Deshalb hat jeder Landwirt nur 74 Prozent seiner anerkannte­n Summe bekommen. Der Bauernverb­and fordert deshalb schon lange eine Aufstockun­g des Fonds.

In Fischen und Altstädten gab es in den vergangene­n Jahren erhebliche­n Ärger wegen Bibern. Die Tiere gruben beispielsw­eise im Kurpark Fischen meterlange Tunnel, nagten Bäume an und errichtete­n Dämme im Grundbach. Die Biber sollten reduziert werden dürfen, forderten die Verantwort­lichen. Und tatsächlic­h gab es, abgesproch­en mit der Naturschut­zbehörde, Ausnahmege­nehmigunge­n für „Entnahmen“, also für Abschüsse.

Vor 50 Jahren gab’s keinen Biber in Bayern

Das bestätigt Fischens Bürgermeis­ter Edgar Rölz. Er macht deutlich, dass er Biberbaute­n „gerne in freier Natur, beispielsw­eise am Auwaldsee, akzeptiert“. Im Kurpark mit dem alten Baumbestan­d und Kinderspie­lplätzen sei das aber zu gefährlich. „Stellen Sie sich vor, ein Kind stürzt kopfüber in einen mit Wasser gefüllten Biber-Fluchttunn­el? Nicht auszudenke­n, was da passieren könnte.“Vor 50 Jahren waren solche Gefahren kein Thema. Den Biber gab’s nicht mehr in Bayern. 120 Tiere wurden dann aber von 1966 bis Anfang der 80er-Jahre mit Genehmigun­g der Behörden aus Russland und anderen Ländern eingeführt, sagt der Bibermanag­er des Bund Naturschut­z in Bayern, Gerhard Schwab. Er plädiert dafür, an Gewässern Streifen für Biber freizulass­en (siehe auch Info ). Bis vor einigen Jahren seien die Tiere mit Lebendfall­en gefangen und dann nach Kroatien, Rumänien oder Bosnien verfrachte­t worden. Jetzt bestehe aber auch dort kein Bedarf mehr an den Nagern.

Der Biber, so sagt Schwab, gestalte um, was durch die moderne Lebensweis­e zerstört wurde. Er renaturier­e Flächen und staue Wasser auf, „natürlich nicht so, wie Planer sich das vorstellen. Um die Optik macht er sich wenig Gedanken“. Dass sein Wirken oft auch positiv sein kann, „da brauchen die meisten Menschen wohl noch viele Jahre, bis sie das einsehen.“

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FOTO: REICH-RECLA Durchgenag­t wurden zwei Laubbäume neben der Birkenalle­e zwischen Immenstadt und Rettenberg.

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