Biber legen Bäume um
Die Tiere leben mittlerweile überall im Oberallgäu – Mancherorts richten sie großen Schaden an
OBERALLGÄU - Zwei große Laubbäume liegen auf einer Wiese zwischen Rettenberg und Immenstadt. Die Stämme sind nicht gefällt, sondern offensichtlich durchgenagt worden. Von einer „Mammutarbeit“spricht unser Leser Horst Kremel aus Blaichach. Er fragt: „Wer stoppt den Biber?“. Der dritte Stamm sei schon angenagt, ein alter, großer Baum mit einem Umfang von 3,50 Metern.
Gestoppt wird der Biber in solch einem Fall wohl nicht. Zum einen ist der Nager streng geschützt, zum anderen gehört die Wiese, durch die der Rossbach dort fließt, dem Freistaat. Schadenersatz wird dort keiner verlangen. Anders wäre das bei privatem Eigentum. 24 Euro gibt es beispielsweise für eine Buche mit einem Stammumfang von einem Meter, steht im „Leitfaden für Biberschäden“. Lächerlich wenig, sagen dazu Landwirte – und melden Schäden gar nicht mehr. Ein sogenanntes „Bibermanagement“sollte Abhilfe schaffen. Das versprach Landrat Anton Klotz 2016. Aber passiert ist immer noch nichts.
Flächendeckend verbreitet
Solch ein „Bibermanagement“sei sehr aufwendig, sagt der Landrat auf Nachfrage und würde „ungefähr 30 000 Euro kosten“. Und weil die Biberpopulation noch nicht so hoch wie beispielsweise im Donaubereich ist, sei ein Bibermanagement deshalb im Oberallgäu „noch nicht so dringend“. Ohne Managementplan gibt es aber auch keinen genauen Überblick über die Population.
„Jedenfalls ist der Biber im Landkreis Oberallgäu mittlerweile bis Oberstdorf flächendeckend verbreitet“, sagt Landratsamts-Pressesprecherin Brigitte Klöpf. Sie nennt zudem Zahlen: Biberschäden in Höhe von 1844 Euro sind 2017 im Oberallgäu anerkannt worden. Ob die Summe auch in voller Höhe ausbezahlt wird, hänge aber davon ab, wie viele Schäden bayernweit gemeldet wurden.“450 000 Euro stehen jährlich im landesweiten Biberfonds bereit. 2016 wurden aber beispielsweise Zerstörungen in Höhe von 600 000 Euro gemeldet. Deshalb hat jeder Landwirt nur 74 Prozent seiner anerkannten Summe bekommen. Der Bauernverband fordert deshalb schon lange eine Aufstockung des Fonds.
In Fischen und Altstädten gab es in den vergangenen Jahren erheblichen Ärger wegen Bibern. Die Tiere gruben beispielsweise im Kurpark Fischen meterlange Tunnel, nagten Bäume an und errichteten Dämme im Grundbach. Die Biber sollten reduziert werden dürfen, forderten die Verantwortlichen. Und tatsächlich gab es, abgesprochen mit der Naturschutzbehörde, Ausnahmegenehmigungen für „Entnahmen“, also für Abschüsse.
Vor 50 Jahren gab’s keinen Biber in Bayern
Das bestätigt Fischens Bürgermeister Edgar Rölz. Er macht deutlich, dass er Biberbauten „gerne in freier Natur, beispielsweise am Auwaldsee, akzeptiert“. Im Kurpark mit dem alten Baumbestand und Kinderspielplätzen sei das aber zu gefährlich. „Stellen Sie sich vor, ein Kind stürzt kopfüber in einen mit Wasser gefüllten Biber-Fluchttunnel? Nicht auszudenken, was da passieren könnte.“Vor 50 Jahren waren solche Gefahren kein Thema. Den Biber gab’s nicht mehr in Bayern. 120 Tiere wurden dann aber von 1966 bis Anfang der 80er-Jahre mit Genehmigung der Behörden aus Russland und anderen Ländern eingeführt, sagt der Bibermanager des Bund Naturschutz in Bayern, Gerhard Schwab. Er plädiert dafür, an Gewässern Streifen für Biber freizulassen (siehe auch Info ). Bis vor einigen Jahren seien die Tiere mit Lebendfallen gefangen und dann nach Kroatien, Rumänien oder Bosnien verfrachtet worden. Jetzt bestehe aber auch dort kein Bedarf mehr an den Nagern.
Der Biber, so sagt Schwab, gestalte um, was durch die moderne Lebensweise zerstört wurde. Er renaturiere Flächen und staue Wasser auf, „natürlich nicht so, wie Planer sich das vorstellen. Um die Optik macht er sich wenig Gedanken“. Dass sein Wirken oft auch positiv sein kann, „da brauchen die meisten Menschen wohl noch viele Jahre, bis sie das einsehen.“