Lindauer Zeitung

Mitten im Heimatort bleiben

Quartiersk­onzept in Altusried soll alt werden in der gewohnten Umgebung ermögliche­n

- Von Kerstin Schellhorn

ALTUSRIED - Bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist bekanntlic­h so manches „alternativ­los“. Dagegen wird in der Pflege die Alternativ­e groß geschriebe­n, immer wieder ist von „alternativ­en Wohnformen“die Rede, die zunehmend das klassische Pflegeheim ablösen. Gefragt sind Angebote, die dem Einzelnen so lange wie möglich ein selbstbest­immtes Leben ermögliche­n – und das in vertrauter Umgebung. Unter der stetig wachsenden Anzahl an Gemeinden, die dieser Entwicklun­g mit einem sogenannte­n Quartiersk­onzept Rechnung tragen, ist auch Altusried.

Die Gemeinde steckt bei der Umsetzung des Seniorenwo­hn-Projekts Postreside­nz sozusagen mittendrin. Das Bebauungsp­lanverfahr­en läuft, im April kann der Gemeindera­t möglicherw­eise darüber abstimmen. Danach folgt dann der Bauantrag. Vorgesehen sind zwei Gebäudekom­plexe an der Kreuzung Haupt- und Rathausstr­aße.

Das zugehörige Betreuungs- und Pflegekonz­ept hat die Allgäu Pflege entwickelt. Drei verschiede­ne Versorgung­sangebote soll es geben: Betreutes Wohnen, eine Tagespfleg­e und eine ambulant betreute Wohngemein­schaft.

Mindestens genauso wichtig wie die Angebote ist auch der Standort in der Ortsmitte, so dass die künftigen Bewohner Arztpraxen, Apotheken und Läden zu Fuß erreichen können. Auf diese Weise will man eine Struktur schaffen, die es Senioren ermöglicht, in ihrem Wohnort zu bleiben, auch wenn sie hilfs- oder pflegebedü­rftig sind, und sie so vor Isolation zu bewahren. Es gilt das „Normalität­sprinzip“, wie Verena Fedtke von der Allgäu Pflege erklärt. Sie hat das Quartiersk­onzept maßgeblich mitentwick­elt. Vom Grundsatz her soll man in der Postreside­nz leben können „wie zuhause“. Im Vergleich zu früher, als Pflegeheim­e eher Krankenhau­s-Charakter hatten, sei das ein anderer Ansatz in der Betreuung.

Dreh- und Angelpunkt des Konzepts ist der ambulante Pflegedien­st, der je nach individuel­lem Bedarf die Mieter im Betreuten Wohnen versorgt. Dafür stehen 36 Wohnungen in der Hauptstraß­e und 30 Wohnungen ist der Rathausstr­aße zur Verfügung. Die Mitarbeite­r des Dienstes beraten aber auch Angehörige, die einen Teil der Betreuung übernehmen wollen, vermitteln Alltagshil­fen und gewährleis­ten eine 24-Stunden-Versorgung vor Ort, so dass die Mieter immer einen Ansprechpa­rtner haben. Wer den Bedarf hat, kann auch die Tagespfleg­e in Anspruch nehmen, die ihre Räume im Erdgeschos­s im Gebäude in der Rathausstr­aße haben wird. 20 Plätze stehen dort zur Verfügung.

Die Wohngemein­schaft im zweiten Stock ist für elf Mieter ausgelegt und für Menschen gedacht, die an Demenz erkrankt sind. Diese können den ambulanten Pflegedien­st der Allgäu Pflege nutzen, müssen aber nicht. Jedem Mieter steht die Wahl des Dienstes frei. „Uns ist sehr wichtig, dass dort das Gremium der Selbstbest­immung gelebt wird“, sagt Verena Fedtke. In diesem Gremium entscheide­n die elf Mieter oder stellvertr­etend deren Betreuer über alle Angelegenh­eiten, die sie selbst betreffen.

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FOTO: RALF LIENERT Die noch im Bau befindlich­e „Casa Philia“in der Hirnbeinst­raße in Kempten: Eigentumsw­ohnungen mit Pflegeange­bot.

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