Eine Regel spaltet den deutschen Fußball
Am Donnerstag debattieren Vertreter der Proficlubs über 50+1 – laut DFL ergebnisoffen
FRANKFURT (dpa/SID(fil) - Am Donnerstag treffen sich die Verantwortlichen der Bundesliga und 2. Bundesliga, um über die Zukunft der 50+1-Regel zu diskutieren, die die Komplettübernahmen von Clubs durch Investoren verhindern soll. Entscheiden sollen sie über die Regel zunächst aber noch nicht. Kritiker der Regel halten sie für juristisch angreifbar und sehen durch sie die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Clubs im Vergleich zu englischen oder spanischen Vereinen gefährdet.
Zahlreiche Fangruppen haben sich in den letzten Wochen für die Beibehaltung ausgesprochen, mehr als 1000 Fanclubs und Fangruppen sowie mehrere bundesweite Fanverbände haben eine Erklärung unter dem Motto „50+1 bleibt“präsentiert, in der die Beibehaltung der Regel gefordert wird.
Die kritischen Fans befürchten, dass „der Wegfall oder eine zur Diskussion stehende weitere Lockerung der 50+1-Regel den Fußball grundlegend verändern“würde. „Der Wettbewerbsdruck würde sich für alle Clubs unweigerlich erhöhen. Die Finanzkraft mancher Eigentümer wäre plötzlich wichtiger als die solide und erfolgreiche Arbeit anderer.“Der Fußball gehöre allen und solle nicht „noch mehr zum Spielball einiger weniger werden“, fordern sie weiter.
Auch einige Vertreter von Zweitligavereinen haben sich bereits klar gegen eine Lockerung oder Abschaffung der 50+1-Regel ausgesprochen, neben Union Berlins Präsident Dirk Zingler etwa Bielefelds Geschäftsführer Markus Rejek und Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Robert Schäfer – die beide schon das Vergnügen hatten, mit Hasan Ismaik, dem Investor und Mehrheitsgesellschafter des mittlerweile in die Viertklassigkeit abgestürzten TSV 1860 München zusammenzuarbeiten.
Eintracht fordert Reform
Rejek glaubt sogar, dass die Mehrzahl der 36 Vereine der 1. und 2. Liga „an 50+1 festhalten will“. Borussia Dortmund, der FC St. Pauli und SC Freiburg haben sich bereits für eine Beibehaltung ausgesprochen.
Gestern hat Eintracht Frankfurts Vorstandsmitglied Axel Hellmann als erster Bundesliga-Vertreter eine konkrete Reform der 50+1-Regel gefordert. Der Jurist plädiert für ein Grundlagenstatut, das den Einstieg von Investoren einerseits erleichtern, andererseits aber auch an klare und schriftlich fixierte Bedingungen knüpfen soll. „Investoren können je nach Charakter des Clubs einen positiven Beitrag leisten“, sagte Hellmann der dpa. Ein Investor müsse aber „die Wurzeln, die Tradition und Kultur des Clubs akzeptieren und darf nicht den Anspruch haben, die Identität des Clubs zu verändern.“
Deshalb müsse ein Katalog von Punkten geschützt werden, „zum Beispiel der Name, der Standort oder die Farben des Vereins. Dazu gehören auch fankulturelle Themen wie der Erhalt der Stehplätze. Diese Bedingungen müssen unabhängig von der Höhe der Kapitalbeteiligung des Investors sein. Und alle entscheidenden Fragen müssen weiter der Mitbestimmung des Vereins und seiner Mitglieder unterliegen.“Weiter sagte Hellmann: „Die Bundesliga muss sich im internationalen Wettbewerb behaupten. Jede andere Sicht wäre eine Verkennung von Realitäten im internationalen Medien- und Sponsorenmarkt“. Ein „freies Spiel der Kräfte“wie in der englischen Premier League dürfe es seiner Meinung nach aber auch nicht geben. Sonst würden die Gehälter und weitere Kosten explodieren und dadurch immer mehr externes Kapital nötig werden lassen. Hellmanns Schlussfolgerung ist deshalb: „Wenn es uns nicht gelingt, bestimmte Punkte abzusichern, die in Deutschland im Fußball einen kulturellen Wert haben, dann sehe ich schon die Gefahr, dass die Leute irgendwann sagen: Das ist ja nur noch Entertainment.’“
Zuletzt wollte Martin Kind, der Präsident von Hannover 96, bei der DFL eine Ausnahmeregelung erwirken, um die ausgegliederte Profifußballgesellschaft komplett zu übernehmen. Solche Ausnahmen sind derzeit auch nach bestehender Rechtslage möglich, wenn Investoren einen Club seit 20 Jahren „ununterbrochen“und „erheblich“gefördert haben. Derlei Ausnahmeregelungen gelten für Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und Hoffenheim.
Kind ist seit 1998 bei Hannover 96 engagiert, Anfang Februar teilte der Hörgeräteunternehmer jedoch wenige Stunden vor einer Entscheidung mit, seinen Antrag vorerst ruhen zu lassen.
Kind soll weit weniger investiert haben als angegeben
Wie die „Bild“am Dienstag berichtete, geschah dies aus gutem Grund. Laut Informationen des Blattes hätte die DFL Kinds Antrag abgelehnt. Die DFL wollte den Bericht nicht kommentieren.
Kind hatte erklärt, dass sich die Hauptsponsoren-Einnahmen von Hannover 96 in den vergangenen 20 Jahren auf 46 Millionen Euro beliefen. Laut der DFL-Statuten hätte er für eine Komplettübernahme des Vereins in diesem Zeitraum mindestens dieselbe Summe aufwenden müssen. Nach Angaben der „Bild“sei die DFL bei der Prüfung der eingereichten Unterlagen jedoch nur auf eine Summe von 19,698 Millionen Euro gekommen. „Weder die Unterlagen noch die Zahlen sind uns bekannt“, kommentierte der Verein den Bericht: „An unserer Überzeugung, dass Martin Kind die notwendigen Auflagen erfüllt, hat sich nichts geändert.“