Briefkasten der Vermieter gesprengt
800 Euro Geldstrafe für 54-jährigen Mieter
WEISSENSBERG - Weil er den Briefkasten seiner Vermieter mit Chinaböllern in die Luft gesprengt und diese bedroht hat, verurteilte das Amtsgericht Lindau einen 54-Jährigen wegen Bedrohung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu 80 Tagessätzen zu jeweils zehn Euro. Die Vermieterin war auch nach dem Urteilsspruch besorgt. Ihre Befürchtung: „Der kommt doch wieder.“
Der Streit eskalierte am 14. Oktober vergangenes Jahres: Laut Anklage der Staatsanwaltschaft ist der 54Jährige auf das Grundstück seiner ehemaligen Vermieter gegangen, habe mit einem Textmarker „Sie schulden mir noch 800 Euro“auf den Briefkasten geschrieben und diesen dann anschließend mit Chinaböllern gesprengt. Obwohl ihn die Vermieterin von ihrem Grundstück verwies, ging er nicht, sondern richtete sogar eine Tränengaspistole auf sie. Das brachte dem Mann einen Strafbefehl wegen Bedrohung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch ein. Da er gegen diesen Einspruch eingelegt hatte, stand er nun vor dem Lindauer Amtsgericht.
Die Angst war der Frau anzusehen. Schon vor der Verhandlung bat die ehemalige Vermieterin darum, den Angeklagten nicht zu nah an ihr vorbeizuführen. Nervös wartete sie darauf, als Zeugin gehört zu werden und ihre Geschichte zu erzählen. Doch dazu kam es nicht.
Denn wenige Stunden vor der Verhandlung hatte der Anwalt des Angeklagten den Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt: Das heißt, der Angeklagte räumte die Vorwürfe ein und stimmte damit dem Sachverhalt zu, strittig war nur noch die Strafe. Zeugen mussten daher nicht mehr gehört werden.
Der Angeklagte äußerte sich dennoch – zum Bedauern seines Verteidigers. „Ich weiß heute auch, dass es ein Fehler war“, sagte der Angeklagte, betonte aber, dass es „zu keiner Zeit zu einer Bedrohung“gekommen sei. Als ehemaliger Mieter wollte er lediglich seine Vogeltränke mitnehmen. Da ihn die Ex-Vermieterin nur angeschrien habe, sei es zunächst zu einem verbalen Schlagabtausch gekommen. Später, als er dann Richtung Stall gelaufen sei, sei ihm die Frau mit der Mistgabel hinterher. Er bestätigte, dass er eine „Dummheit“gemacht habe, indem er die Böller im Briefkasten angezündet habe. Er wies aber von sich, irgendjemanden mit der Waffe bedroht zu haben. „Es gab definitiv keine Bedrohung“, sagte er. Da platzte seinem ehemaligen Vermieter, der als Zuhörer den Prozess verfolgte, der Kragen: „Das ist doch gar nicht wahr“, rief er – und bekam prompt eine Ermahnung von Richter Klaus Harter. Allerdings fragte auch der sich, warum die Vermieterin die Waffe, die beim Angeklagten im Wagen gefunden wurde und für die dieser einen Waffenschein besitzt, so genau beschreiben konnte. Richter Harter: „Hatte sie hellseherische Fähigkeiten?“
Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu zehn Euro. Der Verteidigung war das zu hoch. Was die Sachbeschädigung angehe, so liege der Schaden am Briefkasten mit deutlich unter 100 Euro „im Bagatellbereich“. Auch beim Hausfriedensbruch bewege man sich an der „untersten Grenze“. Und was die Bedrohung angehe, so verwies der Verteidiger auf eine Zeugenaussage der ehemaligen Vermieterin, in der sie angegeben haben soll, sich nicht bedroht gefühlt zu haben. Das brachte die Vermieterin in Rage. Sie beruhigte sich erst nach mehrmaliger Ermahnung durch den Richter. „Sperren Sie mich halt ein. Dann habe ich Ruhe vor dem“, sagte sie in Richtung des Angeklagten.
Erheblich strafmildernd sei aus Sicht des Verteidigers, dass der 54jährige nicht vorbestraft sei, sowie die „Vorgeschichte“des Falls, auf die er jedoch nicht näher eingehen wollte. Er plädierte daher für 70 Tagessätze zu je fünf Euro für den Hartz-IVEmpfänger.
Nicht der erste Streit zwischen Mieter und Vermieter
Richter Harter stellte klar, dass es in der heutigen Zeit kein Jungenstreich sei, einen „Briefkasten in die Luft zu sprengen“. Spätestens wenn man aufgefordert werde zu gehen und man verlasse das Grundstück nicht, sei das Hausfriedensbruch. Harter stellte klar, dass hier sehr wohl eine Bedrohung vorliege. Als strafmildernd wertete er das Geständnis des Angeklagten, dass er nicht vorbestraft ist und dass es „im Vorfeld schon gewisse Auseinandersetzungen geben hat“. Er verurteilte den Mann zu 80 Tagessätzen zu je zehn Euro.
Als der Prozess zu Ende war, wollte die Vermieterin dem Richter noch neue Beweise für eine andauernde Bedrohung zeigen. Doch der riet ihr: „Gehen Sie damit zur Polizei.“
„Hatte sie hellseherische Fähigkeiten?“Richter Klaus Harter fragt sich, warum die Vermieterin die Waffe des Angeklagten so genau beschreiben konnte, wenn er sie nicht benutzt hat.