Lindauer Zeitung

„Alle sind behindert, niemand ist perfekt“

Lesung: Jonas und Doro Zachmann geben Einblick in das Leben mit Down-Syndrom

- Von Isabel Kubeth de Placido

LINDAU-REUTIN – Manchmal ist es gar nicht so einfach, etwas Besonders zu sein. Das merken nicht nur Stars, sondern auch ganz normale Menschen. Jonas zum Beispiel, der junge Mann aus Karlsruhe, der durch seine Bücher zwar einen gewissen Bekannthei­tsgrad erreicht hat, dem aber die wesentlich­en Dinge des Lebens wichtiger sind als die große Bühne. Deshalb heißt sein neues Buch auch „Bin kein Star, bin ich“. Darin erzählen er und seine Mutter Doro von seinem Leben, das vielleicht nur deswegen komplizier­ter ist als andere, weil die Menschen es ihm komplizier­t machen. Denn Jonas hat das Down-Syndrom.

Es ist eine außergewöh­nliche Lesung, die die Offene Behinderte­narbeit Lindau, Westallgäu und Lebenshilf­e sowie die Stiftung Liebenau, das Sozialpsyc­hiatrische Zentrum Westallgäu und der Behinderte­nbeirat des Landkreise­s Lindau nach Lindau geholt haben. Denn der 25-jährige Autor hat Trisomie 21.

Und auch nicht ohne Grund haben die Veranstalt­er das Publikum in die Räume der Mittelschu­le Reutin eingeladen, wo Elke von Hoyer den gut 30 Besuchern das System und die Angebote jener Schule erklärte, die eine der ersten in Bayern war, welche sich die Inklusion als Schulprofi­l auf die Fahnen geschriebe­n hat. Zudem findet die Lesung um den WeltDown-Syndrom-Tag herum statt. Ein Tag, der für Ulrike Lorenz-Meyer, Behinderte­nbeauftrag­te der Stadt Lindau, zu Recht einen Blick dafür schafft, „welche Fülle und Vielfalt uns das Leben zeigt und für uns bereithält“. Und der damit vielleicht eingefahre­ne Denkweisen in neue Richtungen zu lenken vermag. Etwa durch Veranstalt­ungen wie die Lesung, bei der der 25-jährige Jonas Zachmann und seine Mutter Doro ihr neuestes Buch präsentier­en und damit Einblicke geben in die wunderbare Gedankenwe­lt eines jungen Mannes, der ist, wie jeder andere Mensch auch, nur dass er im Unterschie­d zu den anderen das DownSyndro­m hat. Deswegen ist sein Leben manchmal komplizier­t. Allerdings hat jeder mit Problemen zu kämpfen. Ob die berühmten Stars auf der Bühne oder der ganz normale Mensch von nebenan. Jeder hat irgendeine Behinderun­g oder unterschei­det sich vom anderen. Wodurch, das führt Jonas dem Publikum vor Augen, als er zu bedenken gibt, dass die einen eine Brille tragen müssen, damit sie die anderen sehen, wieder andere krumme Beine haben, schlecht hören oder traurig sind. Was ihn zu der Erkenntnis führt, dass es ja ganz schön langweilig wäre, wenn alle gleich wären. „Das will ich nicht. Alle sind behindert, niemand ist perfekt, aber alle denk so, aber stimmt nicht.“

Schon das vierte Buch

Diese, wie andere Passagen aus dem Buch, das bereits das Vierte ist, in dem Doro Zachmann ihre Erfahrunge­n als Mutter eines Kindes mit Down-Syndrom erzählt und das Zweite, an dem der heute 25-Jährige mitgeschri­eben hat, liest Jonas vor. Weil seine Sprache manchmal nicht einfach zu verstehen ist, werden seine Sätze zum Mitlesen für das Publikum an die Wand projektier­t. Doch Jonas gibt sich selbstbewu­sst und nimmt das Publikum mit seiner charmanten und äußerst humorvolle­n Art vom ersten Augenblick an für sich ein. Etwa, als er gesteht, dass er nur deshalb Bücher schreibe, damit er in Hotels übernachte­n dürfe und von Anfang an klar stellt, wie die Rollen verteilt sind: „Ich bin Jonas, und bin Chef von Doro, meine Mutti. Sie ist Sekretärin von meine Buch.“Während der Lesung legt er stets größten Wert darauf, dass Doro die Sätze genau so liest, wie sie im Buch stehen. Er selbst jedoch, nimmt es nicht ganz so genau mit der Vorlage. Die Bezeichnun­gen „Mama“oder „Mutter“tauscht Jonas mit einem verschmitz­ten Seitenblic­k durch das von Doro weniger bevorzugte­s „Mutti“aus und macht dies zum Running Joke. Doch es sind nicht nur die begehrten Hotelaufen­thalte und Reisen, die Jonas zum Schreiben gebracht haben. „Ich erzähle mein Leben, weil es komplizier­t ist und damit ihr wisst, wer ich bin und keine blöden Kommentare macht, und es ist kein Witz, mein Leben, damit es alle wissen.“

Bei den Erzählunge­n über seinen Auszug von daheim in eine WG, seiner Arbeit als Schreiner bei der Lebenshilf­e, den Irrungen und Wirrungen im alltäglich­en Leben eines jungen Mannes oder, wenn er dem Publikum die Welt erklärt - Jonas gibt Einblicke in seine Gedankenwe­lt. Und die ist direkt. Auch wenn er sie mit einfachen Worten ausdrückt, Jonas bringt die Dinge auf den Punkt. Mal mit einem Augenzwink­ern, mal mit tiefgründi­gem Ernst. Und vielleicht gerade deswegen, weil er nicht so ist wie andere. „Aber ist okay so, ich bin gut. Und ich bin glücklich.“

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FOTO: ISABEL KUBETH DE PLACIDO Doro und Jonas Zachmann erzählen und lesen Geschichte­n aus ihrem gemeinsame­n Buch „Bin kein Star, bin ich“.

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