„Alle sind behindert, niemand ist perfekt“
Lesung: Jonas und Doro Zachmann geben Einblick in das Leben mit Down-Syndrom
LINDAU-REUTIN – Manchmal ist es gar nicht so einfach, etwas Besonders zu sein. Das merken nicht nur Stars, sondern auch ganz normale Menschen. Jonas zum Beispiel, der junge Mann aus Karlsruhe, der durch seine Bücher zwar einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, dem aber die wesentlichen Dinge des Lebens wichtiger sind als die große Bühne. Deshalb heißt sein neues Buch auch „Bin kein Star, bin ich“. Darin erzählen er und seine Mutter Doro von seinem Leben, das vielleicht nur deswegen komplizierter ist als andere, weil die Menschen es ihm kompliziert machen. Denn Jonas hat das Down-Syndrom.
Es ist eine außergewöhnliche Lesung, die die Offene Behindertenarbeit Lindau, Westallgäu und Lebenshilfe sowie die Stiftung Liebenau, das Sozialpsychiatrische Zentrum Westallgäu und der Behindertenbeirat des Landkreises Lindau nach Lindau geholt haben. Denn der 25-jährige Autor hat Trisomie 21.
Und auch nicht ohne Grund haben die Veranstalter das Publikum in die Räume der Mittelschule Reutin eingeladen, wo Elke von Hoyer den gut 30 Besuchern das System und die Angebote jener Schule erklärte, die eine der ersten in Bayern war, welche sich die Inklusion als Schulprofil auf die Fahnen geschrieben hat. Zudem findet die Lesung um den WeltDown-Syndrom-Tag herum statt. Ein Tag, der für Ulrike Lorenz-Meyer, Behindertenbeauftragte der Stadt Lindau, zu Recht einen Blick dafür schafft, „welche Fülle und Vielfalt uns das Leben zeigt und für uns bereithält“. Und der damit vielleicht eingefahrene Denkweisen in neue Richtungen zu lenken vermag. Etwa durch Veranstaltungen wie die Lesung, bei der der 25-jährige Jonas Zachmann und seine Mutter Doro ihr neuestes Buch präsentieren und damit Einblicke geben in die wunderbare Gedankenwelt eines jungen Mannes, der ist, wie jeder andere Mensch auch, nur dass er im Unterschied zu den anderen das DownSyndrom hat. Deswegen ist sein Leben manchmal kompliziert. Allerdings hat jeder mit Problemen zu kämpfen. Ob die berühmten Stars auf der Bühne oder der ganz normale Mensch von nebenan. Jeder hat irgendeine Behinderung oder unterscheidet sich vom anderen. Wodurch, das führt Jonas dem Publikum vor Augen, als er zu bedenken gibt, dass die einen eine Brille tragen müssen, damit sie die anderen sehen, wieder andere krumme Beine haben, schlecht hören oder traurig sind. Was ihn zu der Erkenntnis führt, dass es ja ganz schön langweilig wäre, wenn alle gleich wären. „Das will ich nicht. Alle sind behindert, niemand ist perfekt, aber alle denk so, aber stimmt nicht.“
Schon das vierte Buch
Diese, wie andere Passagen aus dem Buch, das bereits das Vierte ist, in dem Doro Zachmann ihre Erfahrungen als Mutter eines Kindes mit Down-Syndrom erzählt und das Zweite, an dem der heute 25-Jährige mitgeschrieben hat, liest Jonas vor. Weil seine Sprache manchmal nicht einfach zu verstehen ist, werden seine Sätze zum Mitlesen für das Publikum an die Wand projektiert. Doch Jonas gibt sich selbstbewusst und nimmt das Publikum mit seiner charmanten und äußerst humorvollen Art vom ersten Augenblick an für sich ein. Etwa, als er gesteht, dass er nur deshalb Bücher schreibe, damit er in Hotels übernachten dürfe und von Anfang an klar stellt, wie die Rollen verteilt sind: „Ich bin Jonas, und bin Chef von Doro, meine Mutti. Sie ist Sekretärin von meine Buch.“Während der Lesung legt er stets größten Wert darauf, dass Doro die Sätze genau so liest, wie sie im Buch stehen. Er selbst jedoch, nimmt es nicht ganz so genau mit der Vorlage. Die Bezeichnungen „Mama“oder „Mutter“tauscht Jonas mit einem verschmitzten Seitenblick durch das von Doro weniger bevorzugtes „Mutti“aus und macht dies zum Running Joke. Doch es sind nicht nur die begehrten Hotelaufenthalte und Reisen, die Jonas zum Schreiben gebracht haben. „Ich erzähle mein Leben, weil es kompliziert ist und damit ihr wisst, wer ich bin und keine blöden Kommentare macht, und es ist kein Witz, mein Leben, damit es alle wissen.“
Bei den Erzählungen über seinen Auszug von daheim in eine WG, seiner Arbeit als Schreiner bei der Lebenshilfe, den Irrungen und Wirrungen im alltäglichen Leben eines jungen Mannes oder, wenn er dem Publikum die Welt erklärt - Jonas gibt Einblicke in seine Gedankenwelt. Und die ist direkt. Auch wenn er sie mit einfachen Worten ausdrückt, Jonas bringt die Dinge auf den Punkt. Mal mit einem Augenzwinkern, mal mit tiefgründigem Ernst. Und vielleicht gerade deswegen, weil er nicht so ist wie andere. „Aber ist okay so, ich bin gut. Und ich bin glücklich.“