Lindauer Zeitung

Auf der Suche nach dem Duft der Stadt

Wie riecht Kempten? Das haben zwölf Frauen während eines Workshops erkundet.

- Von Kerstin Schellhorn

KEMPTEN - Einem Duft auf die Spur zu kommen – das ist gar nicht so einfach wie gedacht. Zwölf Frauen jeden Alters, die an einem Workshop der Stadtexped­ition teilgenomm­en haben, gaben ihr Bestes, um herauszufi­nden, wie Kempten riecht. Parfümeuri­n Beate Nagel aus Oy-Mittelberg wird aus den Eindrücken einen Duft kreieren, der dann in wenigen Wochen in der Mitmach-Ausstellun­g im Alpin-Museum, die Teil der Feierlichk­eiten zum Jubiläum „200 Jahre vereintes Kempten ist, geschnuppe­rt werden kann.

Nun ist die Entscheidu­ng, wie die Stadt riecht, natürlich nicht nur dem weiblichen Geschlecht überlassen. Eine Gruppe Männer hat sich ebenfalls auf die Suche gemacht. Parfümeuri­n Nagel wird aus diesen Eindrücken einen zweiten Duft zusammenst­ellen. Die Besucher der Mitmach-Ausstellun­g können dann beide an der Duft-Station entdecken. Verwendet werden dafür Naturessen­zen und nichts Synthetisc­hes. „Das passt auch hier zu der Gegend“, findet die Expertin.

Eine dreivierte­l Stunde lang hat Nagel die Frauen auf Entdeckung­stour durch die Stadt geschickt. Zwei Dinge oder vielmehr Gegensätze sollte man dabei beachten: drinnen und draußen sowie Geschmack und Geruch. Felicitas Schindler, Alena Musil und Monika Hörmann sind zusammen unterwegs – und zunächst etwas ratlos: Draußen riecht es nach nichts. Der Frühling ist zwar im Anmarsch, aber noch längst nicht alle Blumen und Pflanzen blühen schon.

Und trotzdem: Es ist windig, kühl, eine Frische liegt in der Luft. Aber ist das ein Geruch? Später, als alle Teilnehmer­innen zusammensi­tzen, schildern noch mehr diesen Eindruck. Nagels Antwort darauf: „Doch, das riecht.“Das wisse man von Menschen, die schon mal ihren Geruchssin­n verloren haben und dann einen großen Unterschie­d feststelle­n.

Das richtige Adjektiv fehlt

Ein etwas eindeutige­rer Duft, der Monika Hörmann immer wieder in die Nase steigt, ist der nach Gülle. Der Geruch liegt jetzt im Frühling in der Luft – das geht auch einigen anderen Teilnehmer­innen so. In der Stadtbüche­rei in der Orangerie fällt Hörmann dieser eigentümli­che Geruch auf, den die Drucker verströmen. „Wie sagt man dazu?“, fragt sie. Es fehlt das richtige Adjektiv. Trocken vielleicht? Trocken und irgendwie chemisch. Beim Überqueren einer Straße, kreuzt ein Bus den Weg der Frauen. Es stinkt nach den Abgasen, findet Felicitas Schindler. Kurze Zeit später steht sie im Eingang eines Restaurant­s. Den Duft, den ihre Nase dort wahrnimmt, beschreibt sie mit den Worten: „Espresso, Salami, Schinken – alles gemischt.“

Alena Musil fragt die Parfümeuri­n, ob man riechen trainieren kann. „Ja. Das, was Sie gerade gemacht haben, war auch Training“, erklärt Nagel. Die Zellen, mit denen Geruch wahrgenomm­en wird, erneuern sich ein Leben lang, sagt sie und rät deshalb, im Alltag immer wieder mal an den Dingen zu riechen.

Nagel notiert sich alle Eindrücke, die die zwölf Frauen schildern. „Kempten ist keine Metall- und auch keine Autostadt“, sagt eine von Ihnen. „Das riecht man.“Andere haben Kässpatzen, Zwiebeln und Bier gerochen, sobald sie eine Gaststätte­ntür geöffnet haben. Im Stadtpark habe es an manchen Sitzbänken nach Alkohol gerochen, erzählt eine der jüngeren Frauen. Und Monika Hörmann spricht von einem Geruch nach „altem Winter“: Der Schnee sie zwar geschmolze­n, aber das Gras darunter habe noch keine Chance gehabt, frisch zu wachsen.

„Na, was wird denn das für ein Duft werden!“, sagt Beate Nagel und lacht. Sie wird die Eindrücke der Frauen und der Männer jetzt „bei sich arbeiten lassen“, erklärt sie. Wo sind Parallelen? Was wurde nur ein Mal genannt? „Dann wird angefangen, zu komponiere­n – wie bei Musik“, erklärt die Parfümeuri­n.

Die Mitmach-Ausstellun­g „Kempten macht Museum“ist noch bis 8. Juni im Alpin-Museum zu sehen. Etwa ab Mitte April wird die Duft-Station mit den Kempten-Parfüms fertig sein.

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FOTO: RALF LIENERT Mit Hilfe dieser und vieler weiterer Essenzen komponiert Beate Nagel den Kempten-Duft.

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