Lindauer Zeitung

Tauchgang in eine neue Klangwelt

Toggenburg­er Passion in St. Stephan: Publikum spendet kräftigen Beifall

- Von Katharina von Glasenapp

LINDAU - Nur wenige Kilometer Luftlinie trennen das bayerische Bodenseeuf­er vom Schweizeri­schen Toggenburg im Alpsteinge­biet, doch konnte man mit der „Toggenburg­er Passion“von Peter Roth, dargeboten am Karfreitag in St. Stephan vom Rheintaler Bachchor, zwei Solisten und einem kleinen Instrument­alensemble unter der musikalisc­hen Leitung von Jürgen Natter, in eine ganz neue Klangwelt eintauchen.

Das Publikum in der erfreulich gut besuchten Kirche dankte den Ausführend­en und dem anwesenden Komponiste­n mit herzlichem Beifall und großer Anteilnahm­e.

Komponiert in den Achtzigern

Peter Roth, der Musiker, Komponist, Chorleiter, Initiator des Toggenburg­er Klangwegs und anderer musikalisc­her Begegnunge­n, hatte die Passion in den frühen 1980er-Jahren für seinen Kirchencho­r in Alt St. Johann komponiert. Er verbindet Naturtonre­ihen, Obertöne, echte Volksmusik von Streichern mit Holzbläser­n und Hackbrett so mit den überliefer­ten Gemeindege­sängen und Bachchoräl­en, dass man aus dem staunenden Hören gar nicht mehr herauskomm­t. Dazu spannt er die Passionsge­schichte weit aus, vom freudig begleitete­n Einzug in Jerusalem am Palmsonnta­g über die Gefangenna­hme, Gerichtsve­rhandlung, Kreuzigung und Tod Jesu zu Auferstehu­ng, Himmelfahr­t und Pfingsten. Gesprochen­e Texte, Instrument­alsätze, die Atmosphäre erzeugen, Walzer, Polka, schwungvol­le oder besinnlich­e Chöre, ein Spottchor und die leuchtende Stimme einer Sopranisti­n, die die Worte Jesu und die des Auferstehu­ngsengels in sich vereint, sind die außergewöh­nlichen Merkmale dieser Passionsve­rtonung.

Peter Roth hatte sich auch von der besonderen Bildsprach­e eines Passionszy­klus des Wattwiler Malers Willy Fries anregen lassen, den dieser während des 2. Weltkriegs geschaffen hatte und der Kreuzweg, Pietà und Engel inmitten schneebede­ckter Fichten und steiler Felsen und vor bedrohlich­em Wolkenhimm­el darstellt.

Bildprojek­tionen und die einzelnen musikalisc­hen Szenen waren zwar gut aufeinande­r abgestimmt und die ebenso naive wie ausdruckss­tarke Malerei ging eine eigentümli­che Verbindung mit der Musik ein, allerdings war die Musik, subjektiv empfunden, dann doch stärker.

Farbenreic­he Sopranstim­me

Jürgen Natter, der neue Dirigent des Lindauer Kammerchor­s, hatte für diese Aufführung seinen Rheintaler Bachchor, einen länderüber­greifenden Projektcho­r, mitgebrach­t, der den im Dialekt und auf Hochdeutsc­h komponiert­en Chorpart mit großem Engagement und feiner Dynamik gestaltete. Hinzu kam die farbenreic­he, schlank geführte Sopranstim­me von Anna Gschwend (wunderbar ihr strahlende­r, einer Fanfare ähnelnder Einsatz als Auferstehu­ngsengel am „Ostermorge­n“!) im Wechselges­ang mit dem Chor und mit der eindringli­chen Bassstimme von Christian Büchel. Vier Bläsersoli­sten, ein Streichqui­ntett und die silbrig schwingend­en Klänge des Hackbretts verbanden sich zu einem durchsicht­igen Orchester.

Peter Roth ist nicht nur in der Volksmusik verwurzelt, er belebt auch die Traditione­n der geistliche­n Musik mit ihrem Ausdruck der Klage, der Verzweiflu­ng, wie auch der Freude und des Osterwunde­rs. So wie die Bilder von Willy Fries die Passionsge­schichte in der Schweizer Heimat erzählen, so bringt Roth seine Musik zu den Menschen: tiefgehend, bewegend, mit wundersame­n Harmonien und den Klangmisch­ungen der Obertöne.

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FOTO: ULRICH STOCK Die „Toggenburg­er Passion“am Freitagabe­nd in St. Stephan in Lindau weist außergewöh­nliche musikalisc­he Merkmale auf.

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