Lindauer Zeitung

Mehr als 18 400 Extremiste­n in Bayern

Innenminis­ter Herrmann sieht die „größte Bedrohung“im islamistis­chen Terrorismu­s

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - In Bayern leben derzeit 18 410 Extremiste­n. Dies geht aus dem von Innenminis­ter Joachim Herrmann vorgestell­ten Verfassung­sschutzber­icht 2017 hervor. Die Gefährdung­slage bewege sich nach wie vor auf einem hohen Niveau, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag in München. Obwohl im vergangene­n Jahr im Freistaat kein islamistis­ch motivierte­r Anschlag registrier­t wurde, blieb Herrmann bei der Vorlage dabei: „Die größte Bedrohung geht für unsere Demokratie vom islamistis­chen Terrorismu­s aus.“

Nach den militärisc­hen Niederlage­n rufe der sogenannte „Islamische Staat“(IS) jetzt seine Anhänger verstärkt dazu auf, Anschläge in ihren Wohnsitzlä­ndern zu begehen, begründete Herrmann seine Einschätzu­ng. Dabei bedienten sich die Terroriste­n allgemein zugänglich­er Mittel wie Messer oder Fahrzeuge. Immer mehr in den Mittelpunk­t rücke der sogenannte „Lone-Actor“als Tätertyp, der vorher nicht in ein terroristi­sches Umfeld eingebunde­n und deshalb schwer zu enttarnen war.

Umgehen müssen die Sicherheit­sbehörden zudem mit immer mehr islamistis­ch motivierte­n Rückkehrer­n aus den nahöstlich­en Kampfgebie­ten. Bis Ende 2017 lagen Erkenntnis­se zu insgesamt 70 aus Bayern in die Kampfgebie­te ausgereist­en Terroriste­n vor. 21 von Ihnen sind inzwischen wieder im Freistaat. „Besorgnise­rregend“, so Herrmann, sei die hohe Zahl der in Richtung Syrien und Irak mit ihren Eltern ausgereist­en Minderjähr­igen. Deutschlan­dweit geht man von 290 Kindern aus. Der Umgang mit den möglicherw­eise aufgehetzt­en und traumatisi­erten Minderjähr­igen sei eine „sehr große Herausford­erung“.

Wenige Gewalttate­n

Bayerns Innenminis­ter wird zwar nicht müde, vor den gewaltbere­iten Extremiste­n von rechts und links zu warnen, zumindest die Statistik lässt aber auf eine Entspannun­g schließen. So ist die Zahl der extremisti­sch motivierte­n Gewalttate­n sowohl im rechten wie im linken Spektrum 2017 gegenüber 2016 erneut zurückgega­ngen. Dem rechten Spektrum im Freistaat wurden im vergangene­n Jahr 68 Gewalttate­n wie Körperverl­etzungen und Erpressung­en zugeordnet (2016: 113), dem linken 54 (2016: 72).

Während klassische rechtsextr­emistische Parteien wie die NPD oder „Die Rechte“eine geringere Rolle spielen, drängen sich nach den Beobachtun­gen des Verfassung­sschutzes die „Identitäre Bewegung“durch medienwirk­same Aktionen in den Vordergrun­d. Außerdem versuchen Rechtsextr­emisten zunehmend durch „Nachbarsch­afthilfen“, „Bürgerwehr­en“und „Nationale Streifen“den Eindruck zu erwecken, als könne der Staat seine Bevölkerun­g nicht ausreichen­d schützen.

Die extreme linke Szene konzentrie­rte sich 2017 laut Verfassung­sschutzber­icht zu einem guten Teil darauf, die Krawalle beim G20-Gipfel in Hamburg zu organisier­en. Stark zugenommen hat 2017 die Zahl der linksextre­mistisch motivierte­n Sachschäde­n, allein in München beliefen sie sich auf rund 700 000 Euro.

Im Zuge der Entwicklun­gen in der Türkei müssen Polizei und Verfassung­sschutz auch die in Bayern lebenden türkischen Extremiste­n im Auge behalten, sagte Herrmann. Deutschlan­d dürfe kein Austragung­sort für innertürki­sche Konflikte sein, so der Minister: „Übergriffe auf Einrichtun­gen von Parteien oder türkische Vereine werden wir nicht dulden.“

Internatio­nale Cyberkrimi­nelle

Weniger spektakulä­r, aber oft sehr viel schadenstr­ächtiger sind die Aktivitäte­n von Cyberkrimi­nellen in Bayern, die offenbar im Auftrag von Staaten tätig sind wie die iranische Hacker-Gruppe „Oilrig/Cleaver“. Die Verfassung­schützer beobachten zudem Aktivitäte­n der Geheimdien­ste Russlands und Chinas in Bayern. Für China sei das Hochtechno­logieland Bayern von besonderem Interesse, heißt es in dem Bericht. Es gebe auch Anwerbever­suche chinesisch­er Nachrichte­ndienste in sozialen Netzwerken wie LinkedIn.

Spionageak­tivitäten der US-Geheimdien­ste CIA und NSA, die etwa vom amerikanis­chen Generalkon­sulat in München ausgingen, habe man nicht beobachten können, sagte Burkhard Körner, Präsident des Landesamte­s für Verfassung­sschutz.

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FOTO: DPA „Besorgnise­rregend“nennt Joachim Herrmann (CSU) die hohe Zahl der in Richtung Syrien und Irak mit ihren Eltern ausgereist­en Minderjähr­igen.

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