Ausbildung von Flüchtlingen erfordert Biss
Sowohl Unternehmer als auch Geflüchtete haben es bei der Lehre nicht leicht
- Lindauer Betriebe stoßen immer wieder auf Probleme, wenn sie Flüchtlinge ausbilden wollen. Unter anderem Kreishandwerksmeister Ulrich Kaiser kämpft um und für die jungen Menschen. Und das obwohl er es eigentlich nicht als seine Aufgabe sieht.
Aus dem Malerbetrieb Kaiser in Lindau kommen Schleifgeräusche. Nebenan bemalen Angestellte eine Tür. Kreishandwerksmeister Ulrich Kaiser ruft seine beiden Auszubildenden Jaghub Shahroki und Mustafa Aldiri zu sich.
Mustafa Aldiri ist der dritte Flüchtling, den Ulrich Kaiser zum Maler und Lackierer ausbildet. Der 20-jährige Palästinenser hat schon nach einem Jahr die Integrationsklasse abgeschlossen, da er bereits sehr gut Deutsch konnte. Danach ging er bei Ulrich Kaiser in die Ausbildung und kam im Betrieb sofort gut zurecht. Auch die Berufsschule in Kaufbeuren fällt ihm nicht schwer. Nur ein paar Fachbegriffe muss er speziell lernen: Zum Beispiel, was die Ausdrücke „Grundfarben“und „Komplementärfarben“bedeuten.
Kaiser ärgert, dass bei dem jungen Mann zuerst die 3+2-Regelung nicht gegriffen habe: „Die Ausbildungsbetriebe können keine Experten für Status und Arbeitserlaubnis sein“, sagt Kaiser. Trotzdem müssten sie verhandeln, dass die Auszubildenden bleiben dürften. Kaiser empfindet das als Schikane des Staates. „Wir kämpfen um junge Leute, keiner will, dass sie abgeschoben werden“, erklärt Kaiser. Die bayerische Regierung wolle einfach höhere Abschiebezahlen, auch wenn das menschlich und gesellschaftlich gar keinen Sinn mache.
Aldiri hatte nur eine Duldung für ein Jahr. Und das, obwohl seine Eltern und Geschwister anerkannt wurden. „Das hat mir Angst gemacht, ich bin staatenlos und kann nirgendwo hin. Meine ganze Familie ist hier, in Palästina habe ich niemanden.“Er hatte einen Brief bekommen, dass er in zwölf Monaten das Land verlassen müsse. Er hat mit einem Anwalt gesprochen, nun weiß er, dass er für die Ausbildungszeit eine Duldung bekommt. Einen staatlichen Brief als Beleg habe er aber nicht bekommen. Auch der Asylantrag des Afghanen Jaghub Shahrokis wurde abgelehnt. Was nach der Ausbildung komme, wisse er nicht – er versuche, nicht so viel darüber nachzudenken. Die beiden Jugendlichen bleiben trotzdem motiviert.
Bei einem Gespräch im Landratsamt erklärt ein Sozialpädagoge des Jugendamts, Peter Ott, dass das nicht selbstverständlich sei: „Nach negativen Bescheiden vom BAMF fallen die Jugendlichen oft in ein Loch.“Sie fragen sich, warum sie eine Ausbildung machen sollen, wenn sie danach vielleicht doch abgeschoben werden. Daher sei es sehr schwer, diese Ziele zu erreichen. Dazu komme oft ein Bildungsdefizit: „Das Handwerk haben die Jugendlichen oft schnell drauf“, sagte Ott. Die Schule gestalte sich viel schwieriger.
Betriebe stoßen immer wieder auf Hürden
Auch andere Betriebe berichten von Schwierigkeiten. Zum Beispiel der Geschäftsführer von Sobeck Zahntechnik in Lindau, Kurt Mahrle, der seit Kurzem einen jungen Afghanen beschäftigt: „Am Anfang war die Einstellung von Ali ein großer Aufwand.“Seine Abschiebung habe im Raum gestanden – und gefährdete seine Ausbildung zum Zahntechniker. „Die Ausbildung kostet Geld – da wollten wir zuerst zu hundert Prozent sicher sein, dass er bleiben darf“, erklärte Mahrle. Vier bis fünf Wochen später sei die Zusage für die 3+2-Regelung gekommen. Der junge Mann sei sehr gut vorgeschult und fleißig. Er habe sich sogar selbst Nachhilfe bei einem Zahntechniker organisiert. Der Betrieb sei nicht darauf angewiesen, den Auszubildenden nach fünf Jahren weiter anzustellen, die Stellen würden gut nachgefragt.
Johanna Nägele bildet seit August Nader Sagran in ihrem Lindauer Tabakgeschäft aus. Der 20-Jährige habe im Oktober einen Ausweisungsbescheid erhalten. Dagegen haben sie Einspruch eingelegt, bisher aber noch nichts von der Augsburger Behörde gehört. „Es ist noch immer nicht klar, ob er die Ausbildung fertig machen darf“, sagt Nägele. Der Afghane sei sehr freundlich und eigne sich daher grundsätzlich gut für den Beruf des Verkäufers. Die Sprache sei allerdings noch ein großes Hemmnis – in der Schule würde er nur wenig verstehen. „Es ist unwahrscheinlich, was die jungen Leute leisten müssen“, sagt Nägele. Zu Problemen mit der Wohnung und der Arbeit komme die ständige Angst der Abschiebung. Seine Ausbildung zum Verkäufer würde dem 20-Jährigen in Afghanistan nichts bringen. „Wir hoffen, dass Nader noch lange bleiben kann – ohne ihn würde etwas fehlen.“
Flüchtlingen eine Perspektive geben
Kaiser betont, dass der Betrieb aus eigenem Interesse Flüchtlinge ausbilde. Maler und Lackierer sei nicht ihr Traumberuf, sie würden einfach diese Chance ergreifen. „Mit Flüchtlingen habe ich beste Erfahrungen gemacht“, sagt Kaiser. Er habe in ihnen fitte und zuverlässige Mitarbeiter gefunden. Die Integration auf dem Bau funktioniere. Außerdem ist das im Familienbetrieb Tradition: „Schon mein Vater stellte Migranten aus Jugoslawien und der Türkei ein.“
Die Leute, die einen Ausbildungsplatz ergattert hätten, sollten die Möglichkeit bekommen zu bleiben – statt mit der 3+2-Regelung hingehalten zu werden. Die Ausbildung sei schließlich eine Investition des Arbeitgebers. Einen fertig ausgebildeten Mitarbeiter nach fünf Jahren wegzuschicken, mache keinen Sinn.