Damit Blinde sich die LZ anhören können
Ehrenamtliche sprechen beim Roten Kreuz die Zeitung auf CD – Kolping sponsert Aufnahmegerät
LINDAU - Konzentriert und mit fester Stimme liest Rosmarie Snehotta Satz für Satz aus der Lindauer Zeitung. Dabei sitzt sie nicht etwa bei sich zu Hause am Küchentisch oder gar auf dem Sofa. Sie sitzt in einem kleinen Zimmerchen beim Roten Kreuz. Außer ihr ist niemand da – nur ein großes Aufnahmegerät. Denn Snehotta liest nicht für sich. Sie liest für Blinde und Sehbehinderte, die ohne Ehrenamtliche wie sie keinen Zugang zur Zeitung hätten.
„Für uns ist das ganz wichtig, damit wir unabhängig sind“, sagt Maria-Luise Schiegg, Blinden- und Sehbehindertenberaterin im Landkreis Lindau. Denn das Weltgeschehen erfahre man ja über Radio oder Fernsehen. „Aber das Lokale, das gibt es eben nur über die Zeitung“, ergänzt Susanne Übelher, die den Kundenservice beim Lindauer Roten Kreuz leitet. „Sie möchten einfach wissen, was hier los ist.“
Das Projekt gibt es bereits seit 25 Jahren. Früher bespielten die Ehrenamtlichen Kassetten, vor zehn Jahren wurde dann auf CD umgestellt. Das System ist simpel: Zweimal die Woche kommen Sprecher zum Roten Kreuz und lesen die jeweils drei vergangenen Ausgaben der Lindauer Zeitung oder des Westallgäuers.
Über dicke Knöpfe lässt es sich leicht navigieren
Die besprochenen CDs werden dann an ihrer Hörer verschickt – die sie in ein ganz besonderes Abspielgerät stecken. Auch die sehbehinderte Maria-Luise Schiegg hat ein solches Gerät. Über große, dicke Knöpfe, die sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Form gut voneinander unterscheiden kann, navigiert sie sich durch die CD. „Wenn einen ein Artikel nicht interessiert, kann man ihn ganz einfach überspringen“, demonstriert sie, in dem sie auf eine dreieckige Taste drückt. Sobald eine CD fertig gehört ist, geht sie zurück ans Rote Kreuz und wird mit neuen Artikeln besprochen.
Zum Beispiel von Rosmarie Snehotta. Sie gehört seit knapp fünf Jahren zur Riege der Ehrenamtlichen, die regelmäßig vorlesen. Ein bis zweimal im Monat nimmt sie sich dafür rund anderthalb Stunden Zeit. „Anfangs stolpert man noch über das eine oder andere Wort. Aber eigentlich hat das Lesen gleich gut funktioniert“, erzählt sie, nachdem sie am Aufnahmegerät den Pausenknopf gedrückt hat. Gerade hat sie einen Text aus der Lindauer Zeitung mit dem Titel „Briefkasten der Vermieterin gesprengt“gelesen. „Das interessiert die Leute“, erklärt sie.
Denn was am Ende auf die CD kommt, das entscheiden die Leser ganz allein. „Man muss einfach gucken, was interessant ist“, sagt Snehotta. „Eine ganze Seite Politik zum Beispiel ist langweilig.“
Nach 52 000 CDs den Geist aufgegeben
Seit ein paar Wochen sprechen Snehotta und die anderen Ehrenamtlichen ihre Texte auf einem brandneuen Gerät ein. Denn nachdem das alte Gerät in den vergangenen zehn Jahren etwa 52 000 CDs bespielt hatte, hat es den Geist aufgegeben. Die Lindauer Kolpingsfamilie, zu der Snehotta selbst gehört, hat dem Roten Kreuz daraufhin ein Maria-Luise Schiegg. neues gespendet.
Es ist aber nicht nur das Einsprechgerät, das das Rote Kreuz dringend braucht. „Wir brauchen permanent neue Sprecher“, sagt Susanne Übelher. Der Zeitaufwand für dieses Ehrenamt sei vergleichsweise gering. „Viele lesen nur ein oder zweimal im Monat, jeweils für eineinhalb Stunden.“Für die Hörer bedeuten diese eineinhalb Stunden aber sehr viel. Denn mit der Zeitung zum Anhören können sie Teil der Lindauer Gesellschaft bleiben.
„Für uns ist das ganz wichtig, damit wir unabhängig sind.“