Ein Künstler, der mit Erwartungen spielt
Bernd Henkels kreative Objekte in Kempten lassen die Betrachter oft im Unklaren
KEMPTEN - Warum sich auf eine Sache beschränken, wenn es eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt? Diese Frage muss sich auch Bernd Henkel vom Künstlerverein K-art-on gestellt haben. In seiner Ausstellung „Reflexion“in den Schaufenstern der Kemptener Freudenberg-Unterführung zeigt der 51-Jährige zahlreiche Facetten seiner Kunst. Es ist die erste Einzelausstellung an diesem Ort.
Den größten Raum nehmen hölzerne Eisengussformen ein. Sie hat Henkel auf dem Schrottplatz gefunden und mit Grafit überzogen, um sie zum Glänzen zu bringen, sagt er. Anschließend bekam jedes der Kunstwerke eine optische Aufwertung, angelehnt an das, was der Künstler in ihnen gesehen hat. Oft sind es erstaunlicherweise Städte oder Fabrikhallen. Damit dies den Betrachtern klar wird, hängen neben einigen der Gussformen Skizzen. Die Stücke erinnern an die Industrialisierung, wirken durch Ergänzungen mit fluoreszierenden Stäben oder Leuchten aber futuristisch und modern.
Eine dieser Gussformen hat Henkel in einen völlig abgedunkelten Raum drapiert, beleuchtet von einer hellen Lampe und die einzige, die nicht mit Grafit überzogen ist. Sie stellt zwei Kirchen dar, mit offenen Türen und umgeben von Stacheldraht. „Das Werk ist in Zeiten der Terroranschläge entstanden und zeigt, dass die Kirchen geschützt, aber trotzdem offen für alle sind“, erklärt er. Zwischen den Kirchen: ein Baum, der diesen Frieden symbolisiert.
Obwohl Henkel zugibt, dass ihn Politik oder Emotionen selten beeinflussen, sind manche Objekte durch gesellschaftliche Themen inspiriert. Er verkopfe sich gerne, sagt Henkel: „Wenn ich ein Thema vorgegeben bekomme, habe ich die besten Einfälle.“Der Kunst geht er in seiner Freizeit nach, hauptberuflich ist er Schreinermeister. Deshalb sei er nicht auf (finanziellen) Erfolg angewiesen und könne verschiedene Stile ausprobieren. Denn auf eine spezielle Richtung festlegen möchte er sich nicht, ganz im Gegenteil: Mal verfremdet er Fotos, mal arbeitet er mit einer Fräsmaschine, mal spielt er mit Materialien.
Dieses Spiel zeigt er im Raum „Reflexion“: Jedes Stück für sich täuscht den Betrachter. Die Wandreliefe lassen im Unklaren, ob die Rohre nach innen verlaufen oder nach außen ragen. Und bei „Rot, Blau, Gelb“wirkt das Material wie ein weicher Teppich, besteht aber aus harten Besenborsten. Weil sich alle seine Objekte hinter Schaufenstern befinden, klärt Henkel die Betrachter nicht über deren Beschaffenheit auf. Genau diese Doppeldeutigkeit macht den Reiz seiner Ausstellung aus.
Wer trotzdem Fragen hat oder erleben möchte, wie Henkel arbeitet, hat dazu die Möglichkeit. Denn inmitten der Schaufenster befindet sich ein Atelier, in dem sich der Künstler während der Ausstellung als „Artist in Residence“regelmäßig aufhält. „Es soll ein Ort der Begegnung sein“, sagt er. Dort finden sich auch Skizzen und Objekte, die noch nicht ganz fertig sind. In diesem Raum möchte er kreativ sein und seine Ausstellung ergänzen.