Streit um Giftgaseinsatz in Syrien hält an
Moskau wirft London „direkte Beteiligung“vor und warnt USA vor „unüberlegten Schritten“
NEW YORK/MOSKAU/MÜNCHEN (dpa/AFP/sz) - Säbelrasseln in Washington, Schuldzuweisungen aus Moskau, Alarmbereitschaft in Syrien: Knapp eine Woche nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma bleibt die Lage im Syrien-Konflikt angespannt. Russland stufte den Vorfall in Duma, bei dem mindestens 42 Menschen durch Giftgas getötet worden sein sollen, als inszenierte Provokation Großbritanniens ein. In Damaskus machte sich Sorge über einen möglichen Militärschlag der USA breit. Deren Präsident Donald Trump ließ offen, ob und wann solch eine Attacke erfolgen könnte.
„Wir haben Beweise, dass Großbritannien an der Organisation dieser Provokation in Ost-Ghuta direkt beteiligt ist“, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Die britische UN-Botschafterin Karen Pierce bezeichnete diesen Vorwurf als „grotesk, bizarr und offenkundige Lüge“.
Russland warnte die USA vor „unüberlegten Schritten“. Washington dürfe die Welt nicht mit Signalen zu einem möglichen Angriff in Unruhe versetzen. Außenminister Sergej Lawrow betonte den Willen zur Deeskalation und sagte, die militärischen Kommunikationskanäle seien weiter intakt. Präsident Wladimir Putin und sein US-Kollege Trump hätten erst vor Kurzem telefoniert. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beriet in einem Telefonat mit Putin darüber, durch engere Abstimmung „Frieden und Stabilität“in Syrien schaffen zu wollen.
Trump hatte am Mittwoch mit einem Angriff auf syrische Stellungen gedroht. Bis zu einer Entscheidung sollten nach Angaben des Weißen Hauses aber weitere Geheimdiensterkenntnisse ausgewertet werden. Die USA machen die syrische Regierung für den Einsatz von Chemiewaffen in Duma verantwortlich. Damaskus und Moskau dementieren dies. „Unsere Spezialisten haben keine Spuren des Einsatzes von Giftstoffen gefunden“, sagte Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja am Freitag. Die US-amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley erklärte hingegen, die Regierung von Präsident Baschar al-Assad habe in mindestens 50 Fällen Chemiewaffen eingesetzt.
Ermittler der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) wollen nun von heute an in Duma untersuchen, ob ein Giftgasangriff stattgefunden hat. Der Bericht soll binnen 30 Tagen vorliegen.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte, die Spannungen zwischen den Weltmächten könnten zu einer „ausgewachsenen militärischen Eskalation“führen. NahostExperten wie der Münchner Michael Wolffsohn sind gelassener. Auf die Frage, ob er die Gefahr eines dritten Weltkriegs sehe, sagte der Historiker am Freitag der „Abendzeitung“: „Mit Sicherheit nicht.“Weder die USA noch Russland hätten territoriale Interessen in Syrien. Für Putin sei dies „Teil seines Pokerns“. Dessen Ziel sei die Aufhebung der internationalen Sanktionen sowie die Anerkennung der Krim-Annexion.
Die Mehrheit der Bundesbürger fürchtet eine Verschärfung des Konflikts in Syrien durch einen Militäreinsatz des Westens. In dem am Freitag veröffentlichten neuen ZDF-„Politbarometer“gaben 58 Prozent der Befragten an, ein Eingreifen der USA und westlicher Verbündeter könnte die Lage in Syrien weiter zuspitzen. Sieben Prozent erwarten hingegen, dass eine militärische Intervention zur Lösung des Konflikts beitragen könnte. 28 Prozent erwarten keine Veränderung.
Eine deutsche Beteiligung an einem möglichen Militäreinsatz würden nur 18 Prozent der Befragten befürworten, 78 Prozent wären dagegen. Zudem sprachen sich 90 Prozent generell gegen eine Intervention der USA in Syrien aus. Lediglich sechs Prozent fänden einen solchen Angriff richtig. (dpa)