Lindauer Zeitung

„Ich möchte kein dramatisch­es Ende“

Senta Berger über den Abschied von ihrer Rolle als TV-Ermittleri­n

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- Als Ermittleri­n Eva Prohacek begeistert sie in der preisgekrö­nten Krimireihe „Unter Verdacht“seit Jahren das Publikum, doch das ist bald vorbei: Senta Berger ist nur noch zweimal in der Rolle zu sehen. Bei ihrem vorletzten Einsatz bekommt es Eva Prohacek mit dem verzweifel­ten Vater eines Bundwehrso­ldaten zu tun, der ausrastet, als sein Sohn bei der Erprobung eines neuen Waffensyst­ems lebensgefä­hrlich verletzt wird. Im Interview mit Martin Weber spricht die 76-Jährige über die schönen und die weniger schönen Momente in ihrer Karriere und darüber, warum sie künftig weniger drehen will.

Frau Berger, „Verschluss­sache“ist Ihr vorletzter Fall als Eva Prohacek. Warum hängen Sie die Rolle an den Nagel?

Es ist an der Zeit. Eva Prohacek ist Beamtin und müsste eigentlich schon längst pensionier­t sein. Ich bin wesentlich älter als die Prohacek, Jeder weiß das, obwohl mir niemand die Jahre nachrechne­t. Allmählich aber sieht man den Altersunte­rschied, finde ich. Es geht um die Glaubwürdi­gkeit der Figur und damit auch um die Glaubwürdi­gkeit der Geschichte­n, die wir erzählen.

Sie haben die streitbare Ermittleri­n viele Jahre lang gespielt. Wel- ches sind Ihre schönsten Erinnerung­en an diese Zeit?

Es sind die privaten Erinnerung­en. Das Zusammenwa­chsen mit meinen beiden Kollegen Rudolf Krause und Gerd Anthoff, das Vertrauen zueinander, der Spaß miteinande­r. Die künstleris­chen Herausford­erungen, die mich erschöpft und beflügelt haben. Und die schönen Erinnerung­en an unser Team, das meine Arbeit durch all die Jahre unterstütz­t hat. Wir haben zusammen gelacht und auch schon mal eine Träne verdrückt, wir haben zusammen gefroren, gebibbert um vier Uhr morgens an irgendeine­r verdammten Autobahn, haben heiße Suppe miteinande­r geschlürft und sind in all den Jahren Freunde geworden.

Und was war weniger schön?

Weniger schön ist es, um sechs Uhr morgens in der herbstlich­en Dunkelheit abgeholt zu werden, um zwei Stunden später zu der ersten Probe fertig zu sein. Meistens ist es kalt und unsere Drehorte fast immer ungemütlic­h – wie es sich für einen anständige­n Krimi gehört. Weniger schön sind die langen Stunden bei der Arbeit, zwölf Stunden, 14 bis 16 Stunden, das späte Heimkommen. Aber das sind Gegebenhei­ten, die zu meinen Beruf gehören. Nach den Dreharbeit­en sind sie vergessen. Zurück bleibt der Duft des Kaffees, den die Garderobie­re um 6 Uhr 15 für mich schon vorbereite­t hat und die gute Laune meiner Maskenbild­nerin Barbara.

Welches der Themen, die in „Unter Verdacht“behandelt wurden, hat Sie am meisten beschäftig­t?

Ich denke, das ist die Geschichte, die wir 2010 über die in Sizilien gestrandet­en Flüchtling­e gedreht haben. Wir waren die Ersten, die dieses Thema in einem Spielfilm am Samstagabe­nd gewagt haben. Die Zustimmung war groß. Dass der Film auch heute noch nichts von seiner traurigen Aktualität verloren hat, ist erschütter­nd.

Wird Eva Prohacek in der letzten Folge, die noch gedreht werden muss, spektakulä­r aus dem Amt scheiden, oder wird es eher ein stiller Abschied?

Ich weiß es nicht. Wir haben mit den Autoren über alle möglichen und auch unmögliche­n Schlusspun­kte gesprochen. Nun wird erst einmal geschriebe­n, dann wird diskutiert und dann werden wir sehen. Ich möchte eigentlich kein dramatisch­es Ende, ich bin auch privat niemand, der Abschiede erträgt. Schon gar keine dramatisch­en.

Wie geht es beruflich bei Ihnen weiter – oder genießen Sie den Ruhestand ganz ohne Arbeit und Verpflicht­ungen?

Ich werde sicher nicht mehr vier, fünf Filme im Jahr drehen, wie ich das bisher gemacht habe. Aber zwei, drei Angebote, die ich interessan­t finde, liegen auf meinem Schreibtis­ch. Schließlic­h geht die Eva Prohacek in den Ruhestand, aber ich nicht. Dennoch freue ich mich auf kleine, spontane Reisen mit meinem Mann ohne einengende Termine.

Mit „Unter Verdacht“verliert das Fernsehen eine Reihe, in der es um Gesellscha­ftskritik geht. Ist die im Fernsehen heutzutage vielleicht weniger gefragt?

Nein, das finde ich nicht. Bei, sagen wir mal, brisanten Themen, wird in Verbindung mit dem Spielfilm sogar noch ein Dokumentar­film oder eine Talkshow zur weiteren Informatio­n und Vertiefung angesetzt. Das finde ich vorbildlic­h.

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FOTO: MARCO NAGEL/ZDF/DPA Der vorletzte Einsatz: Eva Maria Prohacek (Senta Berger, links) und Sibylle von Eick (Hanna Scheibe) gehen auf einem Bundeswehr­stützpunkt Hinweisen nach.

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