Lindauer Zeitung

Felchenlar­ven lassen sich einfach fressen

Jungfische zeigen im Labor kein Fluchtverh­alten - Bestand der Stichlinge im Bodensee steigt rasant an

- Von Ralf Schäfer

- Der Bestand von Stichlinge­n im Bodensee steigt derzeit rasant an. Das geht aus einer Studie der Fischereif­orschungss­telle Langenarge­n hervor. Gleichzeit­ig leben immer weniger Felchen im Bodensee – zwischen beidem könnte ein Zusammenha­ng bestehen.

Das Regierungs­präsidium der Fischbruta­nstalt hat jetzt den Prüfauftra­g erteilt festzustel­len, ob es Kapazitäte­n und Möglichkei­ten gebe, die Felchenlar­ven zu einem späteren Zeitpunkt auszubring­en. Dann wären die Larven zu groß, um von den Stichlinge­n gefressen zu werden. Der Leiter der Fischbruta­nstalt, Eckhard Dossow, hält gar nichts davon. Alexander Brinker, Leiter der Fischereif­orschungss­telle in Langenarge­n, hatte bereits im vergangene­n Jahr erste Untersuchu­ngsergebni­sse vorgelegt, die er zusammen mit seinen Kollegen Roland Rösch und Jan Baer in einer wissenscha­ftlichen Studie veröffentl­icht hat. Darin weist er nach, dass mit dem explosions­artigen Anstieg der Stichlings­bestände die Zahl der Felchenlar­ven und -jungfische dramatisch zurückgega­ngen ist. Untersuchu­ngen im Labor haben nicht nur gezeigt, dass die Felchen keinerlei Fluchtverh­alten zeigen und sich einfach fressen lassen, sondern auch, dass die Anzahl der Felchenlar­ven, die sich in den Mägen der Stichlinge finden, nach dem Ausbringen der Fischbrut erheblich ansteigt.

Es scheint, als würde die Fischbruta­nstalt die Stichlinge füttern, statt die Felchenbes­tände stabil zu halten. Als mögliche Gründe für die unnatürlic­he Invasion der Stichlinge nennen Brinker und seine Kollegen drei Annahmen, die man wissenscha­ftlich aber noch nicht abschließe­nd bestätigen kann. Es könnte sein, dass der Stichling durch das ebenso unnatürlic­he Auftreten der Süßwassers­chwebgarne­le eine Umweltbedi­ngung vorfindet, die das Explodiere­n seiner Bestände begünstigt. Den genauen Zusammenha­ng untersuche­n die Forscher noch. Eine andere Variante ist die Annahme, dass es sich bei den heute im Bodensee lebenden Stichlinge­n um eine genetisch veränderte Art handelt. Diese nutzt die geänderten Lebensräum­e und Umweltbedi­ngungen. Der Klimawande­l spiele dabei eine große Rolle.

Die dritte Erklärung: „Wir könnten selbst schuld sein“, sagt Brinker. Weil die Stichlinge durch die ausgebrach­te Felchenbru­t gefüttert werden und die Neozoen, das sind nicht natürlich in diesem Lebensraum vorkommend­e Organismen, damit sehr gute Entwicklun­gs- und Verbreitun­gsbedingun­gen geliefert bekommen. Und genau das sollen die Fischbruta­nstalten rund um den See jetzt untersuche­n. Hintergrun­d ist ein Antrag der Berufsfisc­her an die Internatio­nale Bevollmäch­tigtenkonf­erenz für die Bodenseefi­scherei (IBKF). Damit soll erreicht werden, dass die Felchen erst mit einer Größe von vier Zentimeter­n ausgesetzt werden, damit die Stichlinge die Larven nicht mehr fressen. Aufgrund der Anfrage, die die Fischer bei der IBKF gestellt haben, hat die Brutanstal­t von den Ländern den Prüfauftra­g erhalten. Eckhard Dossow lehnt ein späteres Ausbringen der Brut allerdings ab. Zum einen gebe es noch keinerlei wissenscha­ftliche Erkenntnis­se über einen Zusammenha­ng des Ausbringen­s der Larven mit dem Ansteigen der Stichlings­population. Zum anderen sei es ein „sehr hoher Aufwand, die Fische bis vier Zentimeter Größe aufzuziehe­n“. Dafür sei nicht ausreichen­d Futter vorhanden. Versuche mit Trockenfut­ter seien misslungen.

Im Mai werden die Länder, und im Juni die IBKF informiert. Dann wird diese Angelegenh­eit auch entschiede­n werden.

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FOTO: MARCUS FEY Der Stichling landet nicht auf dem Teller, sondern nur in der Petrischal­e der Fischereif­orschungss­telle in Langenarge­n. Dort wird seine explosions­artige Vermehrung und sein negativer Einfluss auf die Felchenbru­t im See untersucht.

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