Lindauer Zeitung

Woche der Wahrheit für die EU-Reformer

- Von Sebastian Kunigkeit, Alkimos Sartoros und Thomas Lanig (dpa)

Er versucht es noch einmal: Frankreich­s Präsident kommt nach Berlin, um die Kanzlerin von seinen Reformplän­en zu überzeugen. Aber dort ist von der Europa-Euphorie des Koalitions­vertrags wenig übrig geblieben.

Macron will am Dienstag mit einer Rede vor dem EU-Parlament ein neues Zeichen für sein Projekt zur Reform der Europäisch­en Union setzen. Am Donnerstag besucht er Kanzlerin Angela Merkel und hofft darauf, endlich mehr als nur vage Sympathieb­ekundungen zu erhalten. Auch in Berlin kommt Bewegung in die Sache – aber offensicht­lich in die andere Richtung. CDU und CSU wollen ihren Kurs in der Europapoli­tik abstecken. Macrons Visionen stoßen hier auf große Skepsis.

Umstritten sind vor allem die Vorstöße zum Umbau der Währungsun­ion, für die Macron einen Haushalt vorgeschla­gen hatte. Sein Europa-Projekt umfasst aber noch weitere Vorschläge: Die Sozial- und Steuersyst­eme sollen näher zusammenrü­cken, ein einheitlic­her Mindestsat­z für Unternehme­nsteuern eingeführt werden. Der Präsident will ein europäisch­es Asylamt sowie eine Innovation­sagentur, die die digitale Revolution vorantreib­t. Unterstütz­ung erhält Macron immer wieder von EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker. Der hatte in der Ver- gangenheit ja eine Reihe von Plänen vorgelegt, die ähnlich weit reichen wie Macrons Ideen. Unter anderem soll das Amt eines EU-Finanzmini­sters geschaffen werden.

Fortschrit­te gab es bei alldem bislang nur wenige. Die Einführung eines EU-Finanzmini­sters ist sogar praktisch von der Tagesordnu­ng verschwund­en. Acht nördliche Staaten, etwa Finnland und die Niederland­e, hatten sich zuletzt gegen weitreiche­nde Kompetenzv­erschiebun­gen in Richtung EU ausgesproc­hen.

Der neue Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) macht klar, dass er den Sparkurs seines vor allem in Südeuropa ungeliebte­n Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) im Prinzip fortsetzen will. Von Europa-Eu- phorie, wie sie mancher aus dem GroKo-Vertrag gelesen hat, kann keine Rede mehr sein.

Anfang dieser Woche wollen CDU-Präsidium und Unionsfrak­tion Merkel an die kurze Leine nehmen. In einem Papier für die Fraktionss­itzung heißt es: „Wir dürfen die EU nicht überforder­n“und: „Gute Europäer sind nicht diejenigen, die immer mehr Kompetenze­n für die EU fordern“. Fraktionsv­ize Ralph Brinkhaus wird zitiert: „Ich sehe nicht, dass wir auf dem Gipfel Ende Juni substanzie­lle Fortschrit­te erzielen.“Genau das hatten sich Merkel und Macron aber vorgenomme­n.

Im Moment sieht es so aus, dass von einer Europa-Euphorie wenig übrig bleibt.

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