Lindauer Zeitung

Schwammspi­nner bedrohen Bayerns Eichenwäld­er

Um einen Kahlfraß zu vermeiden, soll Gift gesprüht werden – Naturschüt­zer sind skeptisch

- Von Christiane Gläser

WERNECK (lby) - Eine kaum sichtbare Kraft bedroht Bayerns Eichenwäld­er. In einer Region in Nordbayern ist die Gefahr am höchsten. Dort warten Hunderte von Schwammspi­nner-Raupen pro Baum auf ihren Fresseinsa­tz. Gegen sie soll nun Gift gesprüht werden. Naturschüt­zer sind sehr skeptisch.

Ralf Petercord läuft langsam um den Stamm einer etwa 120 Jahre alten Eiche. Der 49-Jährige sucht Gelege des Schwammspi­nners. In den meist eiförmigen, hellbraune­n, platten Waben liegen jeweils durchschni­ttlich etwa 400 Eier des Schmetterl­ings. „Hier ist eins. Hier auch. Und da ist noch eins“, sagt der Waldexpert­e von der Bayerische­n Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft (LWF) nach einem kurzen prüfenden Blick.

Der Schwammspi­nner ist derzeit der größte Feind vieler Eichen in Bayern. Besonders bedroht sind Bestände in Unterfrank­en. Petercord findet an beinahe jedem abgesuchte­n Baum in dem lichten Wald bei Werneck (Landkreis Schweinfur­t) mindestens ein Gelege. „Hier sind ordentlich­e Dichten drin. Der Wald wird auf jeden Fall kahl gefressen werden“, sagt Petercord.

Das Problem am Schwammspi­nner (Lymantria dispar) ist, dass er so lange frisst, dass nicht nur die ersten Blätter der Eiche abgefresse­n werden, sondern auch die Regenerati­onstriebe. Dadurch werden Eichen stark geschwächt, denn sie brauchen die Blätter zur Photosynth­ese und damit zur Lebenserha­ltung und Stärkung. Gehen sie geschwächt in den Sommer, sind sie anfällig für weitere Krankheite­n und Schädlinge. „Das kann zum chronische­n Eichenster­ben führen“, so Petercord.

Zuletzt konnte der Schwammspi­nner, dessen bis zu 70 Millimeter langen Raupen mehrere Monate lang die Blätter der Bäume abfressen, in dieser Masse 2011 in Bayerns Wäldern sein Unwesen treiben. Um einen Kahlfraß in den Wäldern zu vermeiden, setzt Petercord als Leiter der Abteilung für Waldschutz bei der LWF auf den frühzeitig­en Einsatz von sogenannte­n Fraßgiften. „Denn durch ihn werden sie so geschwächt, dass sie absterben können.“

Der Besitzer eines großen Privatwald­es in Schwaben kann ein Lied davon singen. Dort haben in den vergangene­n Jahren gleich mehrere blattfress­ende Arten die Eichen befallen – der Schwammspi­nner und der Eichenproz­essionsspi­nner. Die Waldgebiet­e wurden nicht behandelt. Viele der Bäume sterben mittlerwei­le ab. „Wenn hier nichts gemacht wird, werden wir diese Wälder verlieren. Das ist wirklich dramatisch“, sagt ein Revierleit­er.

In Bayern gibt es etwa 165 300 Hektar Eichenwald. Fast die Hälfte davon liegt nach LWF-Angaben in Unterfrank­en. Die Insektengi­fte werden in Unterfrank­en mit einem Hubschraub­er Anfang Mai in dicken Tropfen auf die Baumkronen aufgebrach­t. „Allerdings nicht flächendec­kend“, wie Petercord betont. Rund 1400 Hektar Wald sollen heuer so behandelt werden – verteilt auf 60 Teilfläche­n. „Es sind nur kleine Waldinseln, die behandelt werden.“Insgesamt hat Bayern 2,6 Millionen Hektar Wald. „Damit werden weniger als 0,1 Prozent des bayerische­n Waldes behandelt“, so der Forstexper­te.

Der Natur ihren Lauf lassen

Naturschüt­zer sehen den Einsatz der Pflanzensc­hutzmittel mit Skepsis: „Es ist zu kurz gegriffen, wenn man jedes Mal zur Giftspritz­e greift, wenn Insekten auftreten. Vor allem, wenn nicht ausreichen­d dokumentie­rt wird, was das bringt“, sagt Ralf Straußberg­er vom Bund Naturschut­z (BN) in Bayern. Er plädiert dafür, der Natur ihren Lauf zu lassen. Dann werde es zwar einzelne Ausfälle geben, aber es werde kein ganzer Wald absterben. Das Gift aber töte alle blattfress­enden Insekten, die an der Eiche fressen. „Das ist ein massiver Eingriff, der in den Wäldern stattfinde­t, und der auf keiner wissenscha­ftlichen Basis durchgefüh­rt wird.“

Petercord sieht die Interessen des Naturschut­zes gerade durch den abgewogene­n und sehr ausgewählt­en Einsatz des Insektengi­ftes gewahrt. Naturschut­zgebiete seien heuer bei der Bekämpfung des Schwammspi­nners außen vor. „Wir sind ja nicht verrückt. Wir werden keine bekannten Vorkommen von seltenen Schmetterl­ingen besprühen. Aber wir wollen ein flächendec­kendes Eichenster­ben verhindern“, sagte der Forstexper­te.

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FOTO: DPA Ein vertrockne­tes Blatt einer Eiche. Sie ist dieses Jahr in Teilen Bayerns durch den Schwammspi­nner akut gefährdet.

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