Lindauer Zeitung

Lachen bis die Augen tränen

Gardi Hutter trifft als „Jeanne d’ArPpo - Die tapfere Hanna“den Nerv des Publikums

- Von Babette Caesar

LINDAU - An Gardi Hutter als eine der Schweizer Ikonen der sogenannte­n „Komik brut“führt kein Weg vorbei. Und so hat sie am Sonntagabe­nd ihr Gastspiel der „Jeanne d’ ArPpo – Die tapfere Hanna“im Stadttheat­er unter großem Jubel und haltlosen Lachanfäll­en im Publikum gefeiert. Dafür braucht sie nicht mehr als einen Wäscheberg zum Feind und ihre umwerfende clowneske Mimik.

Die „Clownerin“, wie sie sich selbst nennt, ist alles andere als die bis heute in Frankreich verehrte Nationalhe­ldin Jeanne d’Arc. Sie ist weder jung noch schön, dafür verfügt sie über ein schauspiel­erisches Können, das den Besuchern regelmäßig Tränen in die Augen treibt. Vor lauter Lachen über ihre Fratzen und Verrenkung­en. Auch am Sonntagabe­nd, wenn sie dicht am Bühnenrand steht und mit weit aufgerisse­nen Augen unter ihrer Zottelhaar­perücke wütend und erbost versucht, das immer wieder aufkeimend­e Gackern zu stoppen. Vergeblich. Am Schluss musste sie Taschentüc­her austeilen, um Schlimmere­s zu verhindern. Zwei Stunden am Stück währte ihre schweißtre­ibende Performanc­e als Wäscherin Hanna. Dabei steckt sie in einem gut gepolstert­en Kostüm, das allein schon für viel Witz sorgt. Wenn sie sich in dem unkommoden Ding kopfüber in ein brunnenhoh­es Waschbecke­n stürzt oder sich in ihren Waschzuber zwängt, um zum erklärten Feind, dem stinkenden Wäschehauf­en, zu paddeln. Um der Eintönigke­it ihres Daseins zu entfliehen, blättert sie in einem Buch, das die Heldentate­n der Jungfrau von Orléans beschreibt. Und die haben es ihr angetan.

„Komik aus dem Nichts. Gegen das Nichts“

Hanna kommt ohne Worte aus. Maximal ein mehr oder weniger verständli­ches Gebrabbel mit bisweilen ohrenbetäu­benden Quietschla­uten stößt sie aus, um sich in ihrer Welt abseits jeglichen Mainstream­s zurechtzuf­inden. Was für sie völlig normal ist, kommt dem Zuschauer abstrus vor. Ungewasche­ne Socken, die stauben, dass einem der Atem wegbleibt. Die sie in x-fachen sinnlosen Anläufen versucht an einer Wäschelein­e zu befestigen, bis ihr diese unter dem Kinn hängt und sie zu ersticken droht. Das sind abstruse Malheurs und Narreteien, die einem ökonomisch­en Streben nach Rationalit­ät gegen den Strich gehen. „Komik aus dem Nichts. Gegen das Nichts. Nichts ist gar nichts. Nicht?“, nennt sie ihre liebevoll provokante „Komik brut“, mit der sie an den menschlich­en Gefühlsebe­nen aus Wut und Traurigkei­t, Ausgelasse­nheit und Neugier rührt. Dafür ist ihr nichts zu schade. Blusen ersticht sie mit der Gabel, bevor die Schmutzfle­cken mit der Schere herausgesc­hnitten werden. „Sauber bis sehr sauber“, wenn der Stoff vollkommen durchlöche­rt ist. So einfach kann Waschen sein!

Eine Großmeiste­rin des Galgenhumo­rs

Ihr Waschbecke­n gerät zur Festung, von der sie die „Engländer“in die Tiefe stürzen lässt. In Gestalt kleiner Papierfigü­rchen. Eine kindlich-hämische Freude hat Hanna an diesem Spiel, um gleich danach auf Hosenjagd zu gehen. Das Hosentrage­n gehörte schließlic­h zu Jeannes Markenzeic­hen, kostete sie allerdings auch das Leben als Ketzerin auf dem Scheiterha­ufen. Hannas übergroßes Modell verpasst ihr eine ungeheure Ballonfigu­r, mit der sie ungeniert kokettiert und sich zu neuen Abenteuern rüstet. Bewehrt mit Blechschüs­seln, Teppichklo­pfer und einem überdimens­ionalen Holzschwer­t, das zugleich Kreuz ist, attackiert sie den Wäschehauf­en, auf das er sich endlich selber waschen soll. Hannas Ritterrüst­ung klappert und scheppert, dass einem selbst die Ohren klingeln. Das Schwert wird ihr zum besten Freund, doch nach viel Schlachten­getümmel im Waschtrog ragt es als Zeichen des Todes heraus. Galgenhumo­r? Ja, darin ist Gardi Hutter eine Meisterin, die dem Publikum ein riesiges Geschenk in puncto Lachsalven machte.

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