Söder brennt ein Feuerwerk ab
Von Kavallerie bis Raumfahrt: Ministerpräsident präsentiert aufsehenerregendes Programm
MÜNCHEN – So mancher CSU-Parlamentarier könnte am Mittwoch im bayerischen Landtag vom vielen Klatschen Schwielen an den Händen bekommen haben – so begeistert zeigten sich die Abgeordneten von der ersten Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).
Am Ende seiner 65 Minuten langen Ausführungen setzte der Franke Söder noch eins drauf. Eigentlich habe er ja eine „Liebeserklärung an Land und Leute in Bayern“abgegeben, meinte er.
Aber nicht an die Opposition. Fast nie richtete Söder seinen Blick auf die Oppositionsfraktionen. Auch sein Redemanuskript ließ er nicht am Vorabend an SPD, Freie Wähler und Grüne übermitteln – wie das frühere Ministerpräsidenten getan hatten.
Es wurde klar: Söder setzt mit Blick auf die Landtagswahl in sechs Monaten nicht auf Platz, sondern auf Sieg. Natürlich werde man nicht alles, was er in seinen „zehn Punkten für Bayern“ankündigte, bis zum Wahltermin am 14. Oktober umsetzen, sagte Söder: „Aber wir fangen überall an.“Dass nach dem 14. Oktober eine andere politische Kraft im Freistaat hauptsächlich das Sagen haben wird, steht für ihn nicht zur Debatte.
Wem von den 79 Oppositionsabgeordneten im Landesparlament noch nicht klar war, dass der Nachfolger von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ein ganz harter Brocken sein würde, für den wurde am Mittwoch Klarheit geschaffen. Söder brannte ein regelrechtes Feuerwerk an Projekten, Maßnahmen, Programmen und Wohltaten ab.
Der Freistaat könne sich das locker leisten, meinte Söder, der vorher das Finanzressort führte. Bayern verfüge derzeit über Rücklagen von mehr als sechs Milliarden Euro, sodass die Ausgabenerweiterung um eine Milliarde Euro im Rahmen eines Nachtragshaushalts für 2018 leicht zu schultern sei.
Die teuersten Maßnahmen: ein jährliches „Landespflegegeld“von 1000 Euro für alle Pflegebedürftigen im Freistaat und ein „Familiengeld“, das unabhängig von Einkommen und Art der Betreuung ausgezahlt werden soll.
Im „Familiengeld“werden das bisherige Landeserziehungs- und Betreuungsgeld zusammengefasst. Für das zweite und dritte Lebensjahr jedes Kindes erhalten Eltern monatlich 250, ab dem dritten Kind 300 Euro. Beides zusammen kostet den Freistaat jährlich rund 800 Millionen Euro.
Erster Auszahlungstermin für beide Wohltaten: ein Monat vor der Landtagswahl. Die Bürger wollten „keine Politik, die immer nur ankündigt und nicht schafft, was umzusetzen“, begründete Söder den einprägsamen Termin.
Aiwanger kritisiert „Wasserköpfe“
Viele Bestandteile aus Söders „Liebeserklärung“waren schon vorher bekannt, etwa die Wiedererrichtung der bayerischen Grenzpolizei, die Errichtung eines Landesamts für Pflege (das nach Amberg kommen soll), die Schaffung eines Landesamts für Asyl mit Sitz in Manching und die Gründung einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft namens BayernHeim. „Überwiegend Wasserköpfe“, kritisierte Freie-WählerFraktionschef Hubert Aiwanger.
SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen erinnerte einmal mehr an den Verkauf der quasi-staatlichen Wohnungsgesellschaft GBW unter Verantwortung Söders als Finanzminister: Er habe 33 000 Wohnungen, die den Grundstock der staatlichen Gesellschaft hätten bilden können, „den freien Kräften des Marktes in den Rachen geworfen“. Söder beschäftigte sich unterdessen mit seinem Handy. Er könne trotzdem zuhören, wie er versicherte.
Dennoch glückte Söder doch die eine oder andere Überraschung. Die größte: die Wiedereinführung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, das von der Regierung Stoiber aus Kostengründen abgeschafft worden war. Damit, spottete Freie-Wähler-Chef Aiwanger, habe die CSU nach Büchergeld, Studiengebühren und achtjährigem Gymnasium „Stoiber praktisch restlos rückabgewickelt“.
Nicht ganz ernst nahm Aiwanger auch die ehrgeizigen Vorhaben Söders in der Forschungspolitik. So soll eine eigene Raumfahrt-Fakultät der Technischen Universität bei München entstehen, welche das Raumfahrtprogramm „Bayern One“auf die Startrampe hieven soll. Ziel laut Söder: „Entwicklung unbemannter suborbitaler Flugkörper, Erdbeobachtung und Quantensensorik“.
Eines steht fest: Söder hat in seinem Regierungsplan Ideen untergebracht, die aufhorchen lassen. Eine weitere davon: In jeder Großstadt soll eine polizeiliche Reiterstaffel aufgestellt werden. „Die berittene Polizei ist unsere ,Bayerische Kavallerie’“. Damit kleine und mittelständische Unternehmen nicht von zweifelhaften ausländischen Angeboten abhängig sind, werde der Freistaat eine „BayernCloud“entwickeln.
Hyperloop und Flugtaxis
Der Freistaat soll außerdem einen Quantencomputer entwickeln und wird ein Kompetenznetzwerk „künstliche maschinelle Intelligenz“schaffen, an dem Universitäten und Hochschulen aus München, Erlangen, Würzburg, Augsburg, Bayreuth, Ingolstadt und Weiden beteiligt sein sollen. Und dann noch etwas Science Fiction à la Transrapid: Bayern werde innerhalb von zehn Jahren die europaweit erste Referenzstrecke für ein Hyperloop-System bauen. Darunter ist eine Magnetbahn zu verstehen, die in Vakuumröhren Geschwindigkeiten bis zu 1000 km/h erreicht. Der Freistaat solle außerdem zu einer führenden Pilotregion für „individuellen Flugverkehr wie etwa Lufttaxis“werden.
Über die umstrittene dritte Startbahn in München verlor Söder freilich kein Wort.