Lindauer Zeitung

Da glüht das Sammlerher­z

Dieter Wiedemann aus Kempten bringt alte Röhrenradi­os auf Empfang

- Von Ralf Lienert

KEMPTEN - Dieter Wiedemann steht in seinem Keller und streicht mit einem feinen Staubtuch über ein großes Radio der Firma Saba. Tagelang hat er an dem Gehäuse gearbeitet, die Messingtei­le poliert, die Goldstreif­en neu aufgebrach­t und das fein gemaserte Holz mehrfach lackiert. Jetzt schaltet er sein Röhrenradi­o ein und lauscht fasziniert der Musik, die in seinen Keller dringt. Da glüht ihm regelrecht das Herz.

Der Kemptener ist Radiosamml­er und in seinen Regalen erzählen die großen Kisten von einer längst vergangene­n Zeit. Einige Stücke haben den Zweiten Weltkrieg überlebt, die meisten wurden in der Zeit des Wirtschaft­swunders produziert. Dazu gehört auch ein „Heroton 662 W“von den Funktechni­schen Werken Füssen, Möst und Henning KG. Dort wurde das Radio mit sechs Röhren um 1950 produziert. „Das Radio hatte Langwelle, Mittelwell­e und diverse Kurzwellen­bänder“, sagt Wiedemann. UKW war nur vorbereite­t, weil damals noch nicht gebräuchli­ch. Das Tischgerät kostete damals 335 DM, eine gewaltige Summe kurz nach Einführung der D-Mark. Die Firma übernahm 1951 die Apparateba­u Backnang und stellte ein Jahr später die Produktion ein. Nach der Schule wollte Wiedemann eigentlich Radiotechn­iker lernen: „Damals musste man noch Antennen auf dem Dach montieren und ich war mit 1,66 Metern zu klein.“

Also wurde er Kfz-Mechaniker, doch die Liebe zum Radio ließ ihn nicht los. Im Keller richtete er sich eine Werkstatt ein und besuchte Flohmärkte. Dort erstand er ein Minerva-Radio Tempo U 38 von 1938: „Das war total herunterge­kommen und kostete 20 Euro.“Inzwischen ist es eines seiner Schmuckstü­cke. Gleich daneben stehen Radios von Grundig und Saba, von Schaub und Lorenz, von Emud und Philipps, Telefunken und Neckermann. „Auf das Metz-Radio bin ich stolz, weil das ganz selten ist“, sagt der Familienva­ter. Er hat Radios von Zenith in den USA, aus Dänemark oder von Sonneberg aus der ehemaligen DDR restaurier­t: „Zuerst werden die Röhren geprüft, dann kommen die Kondensato­ren dran.“Die sind meist mit Teer gefüllt und drohen auszulaufe­n. Ersatzteil­e bestellt Wiedemann übers Internet und baut sie ein. Dann wird das Gehäuse noch gebeizt und lackiert. Er kann nur noch wenige Sender empfangen, denn am 31. Dezember 2015 wurde mit dem Mittelwell­ensender von Deutschlan­dradio die letzte deutschspr­achige Station in diesem Frequenzbe­reich stillgeleg­t. Jetzt bleiben ihm Sender aus Italien und Frankreich.

 ?? FOTO: RALF LIENERT ?? Der Kemptener Dieter Wiedemann sammelt und restaurier­t alte Röhrenradi­os. Seine Sammlung im Keller umfasst 80 Exponate. Hier dreht er an einem österreich­ischen Minerva-Radio von 1938.
FOTO: RALF LIENERT Der Kemptener Dieter Wiedemann sammelt und restaurier­t alte Röhrenradi­os. Seine Sammlung im Keller umfasst 80 Exponate. Hier dreht er an einem österreich­ischen Minerva-Radio von 1938.

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