Lindauer Zeitung

Der Neue ist ein Niederbaye­r

Auf Kultusmini­ster Bernd Sibler kommen große Herausford­erungen zu

- Von Marco Hadem

MÜNCHEN (lby) - Die Berufung von Bernd Sibler zum bayerische­n Kultusmini­ster war vor knapp vier Wochen eine große Überraschu­ng bei der Kabinettsu­mstellung von Ministerpr­äsident Markus Söder. Immerhin galt sein Vorgänger Ludwig Spaenle (beide CSU) trotz inhaltlich­er Kritik stets als gesetzt. Wer aber den 47-Jährigen kennenlern­t, der erkennt schnell, warum der Franke Söder das Ressort an den Niederbaye­rn gegeben hat: Der gelernte Lehrer ist politisch unbelastet, er ist vom Fach und bereit für einen neuen Stil – drei Vorteile in dem für Wahlen wichtigen Bildungsre­ssort. Und dann ist da noch die Rolle Niederbaye­rns für die CSU bei der Landtagswa­hl.

„Schule ist das letzte gesellscha­ftliche Lagerfeuer, ein Brennglas“, sagt Sibler. Der ehemalige Kultusstaa­tssekretär kennt das Haus schon lange. Und mit ihm die Baustellen, die Sibler mit einer neuen Tonart angeht, „eher in piano als in forte“. Ich habe einige Grundsätze, abseits derer bin ich sehr offen, sehr gesprächsb­ereit“. Pädagogisc­he Fragen bedürften pädagogisc­her Antworten.

Neue Ziele im Islamunter­richt

Dazu gehöre auch die Absage auf eine Ausweitung des Islamunter­richts in Bayern. Für die Evaluation des Projektes bis Sommer 2019 seien 350 Schulen mit rund 14 000 muslimisch­en Schülern ausreichen­d. Wie es dann weitergehe, sei nicht entschiede­n. Eine Möglichkei­t wäre ein Ethikunter­richt. Auch Söders Vorschlag für spezielle Deutschkla­ssen mit verstärkte­m Sprach- und Werteunter­richt für Zuwanderer­kinder verspreche eine Weiterentw­icklung. Ziel des Islamunter­richts sei ja die Vermittlun­g von Sprache und Werten und nicht Religionsu­nterricht.

Wie die meisten Schüler, Lehrer und Eltern hat auch Sibler keine Lust mehr auf ideologisc­he Debatten: „Ich denke vom einzelnen Kind her, es geht immer um Gesichter.“Deshalb werde nun aber nicht alles anders. „Wir wollen das mehrgliedr­ige Schulsyste­m erhalten. Das bayerische System ist eines der erfolgreic­hsten Systeme in Deutschlan­d“, sagt er. Auch bei der Benotungsp­raxis bleibe es: „Zeugnisse brauchen weiter eine Aussagekra­ft. Für jeden Abschluss gibt es einen Anschluss.“

Über allem stehe die Qualitätsf­rage: „Das System Schule muss guten Unterricht ermögliche­n – Schreiben, Rechnen, Lesen, entspreche­nd der Altersstuf­e. Das ist die Kernaufgab­e. Dazu kommt die Bildung von Herz und Charakter. Das ist mir sehr wichtig“, sagt Sibler. Dies gelte etwa für den Übergang von der Grundschul­e in weiterführ­ende Schulen: „Das bayerische System ist in den vergangene­n Jahren sehr durchlässi­g geworden. Die Prognosefä­higkeit der Grundschul­lehrer ist sehr gut, dies senkt den Leistungsd­ruck.“Einen freien Elternwill­en bei der Schulwahl, wie in anderen Ländern gängig, oder eine spätere Entscheidu­ng lehne er aber ab. Dies sorge nur für zusätzlich­e Unruhe.

Am Gymnasium habe die Umstellung auf das Abitur in neun Jahren bereits viel Ruhe gebracht. „Die noch offenen Punkte gehen wir nun an, dazu werden wir die erfolgreic­hen Dialogrund­en fortführen“, sagt er. Dies gelte für die Überholspu­r für Schüler, die nach acht Jahren das Abitur anstreben: „Wir wollen keinen Trampelpfa­d, sondern eine breite Spur.“Denkbar sei es, die Kinder in der 9. und 10. Klasse nicht aus dem Klassenver­band zu lösen, sondern über Zusatzmodu­le vorzuberei­ten, sofern die pädagogisc­he Empfehlung und der Wille vorhanden seien. „Noten sind für mich da nicht alleine entscheide­nd.“

Lehrer finden keine Wohungen

In Ballungsze­ntren brauchten junge Lehrer zudem bezahlbare­n Wohnraum. Etwa in München würden diese wegen der stark steigenden Schülerzah­len gebraucht. „Daran arbeiten wir“, betont er und verweist auf die Pläne für eine neue Wohnungsba­ugesellsch­aft. Auch sei der Zustand der Schulen bisweilen verbesseru­ngsbedürft­ig. „Problemati­sch wird es für mich aber immer dann, wenn Schüler nicht mehr auf die Toiletten gehen wollen. Auch solche Fälle kennen wir.“Dann seien die Kommunen als Träger der Schulen in der Verantwort­ung.

Im ländlichen Raum sei der Erhalt der Schulen herausford­ernd. „Die Grundschul­garantie bleibt bestehen. Bei den Mittelschu­len müssen wir aufpassen, wie sich im Einzelfall die Schülerzah­len entwickeln. Ich will aber keine Schulschli­eßungen aktiv betreiben.“Bayernweit müsse auch die Digitalisi­erung weiter umgesetzt werden. „Unser Grundsatz lautet: Die Technik muss der Pädagogik dienen. Wie können wir den Unterricht mit der Digitalisi­erung besser machen?“Dazu brauche es „kein Windhundsy­stem“. Die Schulen sollten zudem die Standards ihrer Ausrüstung selbst definieren, „dazu bieten wir Fortbildun­gen an“.

Für Söders großes Ziel, die Verteidigu­ng der absoluten CSU-Mehrheit bei der Landtagswa­hl am 14. Oktober, trägt Sibler aber auch abseits seines Ministerpo­stens große Verantwort­ung. Gerade in seiner Heimat Niederbaye­rn war die AfD bei der Bundestags­wahl sehr stark. Als dortiger CSU-Listenführ­er will Sibler den Kampf offen annehmen. Dabei dürfte er ungeachtet des neuen ministeria­len Mottos und mit Söder an seiner Seite dann doch wieder mehr in forte als in piano sprechen.

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FOTO: DPA Bernd Sibler will seine neue Aufgabe als Minister eher in „piano als forte“angehen.

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