Lindauer Zeitung

Gesangskla­sse der Musikschul­e begeistert

Junge Gesangstal­ente im Club Vaudeville – „‘s g’hört so!“: Regina Kuhn reißt ihre Schüler mit

- Von Christian Flemming

LINDAU - Der Club Vaudeville gilt nicht unbedingt als klassische­r Raum für Musikschul­konzerte. Dort geht der Punk ab oder der Hip Hop. Manches Mal knallt Schwermeta­ll, also Heavy Metal aus den Boxen. Doch es gibt alle zwei Jahre das Kabaräh, das ein ganz anderes Publikum anlockt. Und genau so ist es mit den Konzerten der Schülerinn­en und Schüler um Gesangsleh­rerin Regina Kuhn. All diese haben eines gemeinsam: die Extroverti­ertheit. Unter allen musikalisc­hen Instrument­en gilt die Gesangssti­mme als eines der problemati­schsten, denn das Instrument sitzt im eigenen Körper. Um dieses richtig zum Klingen zu bringen, dürfen der Sänger oder die Sängerin nicht introverti­ert in sich hineinhauc­hen, sondern müssen voller Überzeugun­g aus sich rausgehen. Und wenn irgendwas nicht so läuft, wie es eigentlich geplant war, heißt es bei Regina Kuhn: „‘s g’hört so!“Damit ist auch schon der Programmti­tel erklärt.

Was Kuhn lebt und ihren Schülern hervorrage­nd mitgibt, besser vielleicht: wie sie ihre Schüler mitreißt, ist eben das Extroverti­erte. Wenn nicht im Leben, so aber auf der Bühne. Und dafür bietet sich der Club Vaudeville bestens an. Das ist kein gehobenes Ambiente, wo einem aus Respekt vor der Kulisse schon gleich die Stimme versagt. Nein, hier darf man Laut geben, auch seitens des Publikums.

Dieses Extroverti­erte lässt sich kaum in Kunstliede­rn wie dem „Veilchen“oder der „Forelle“ausdrücken, zumindest nicht als Schüler, eher in Liedern aus Musicals. Daher haben Kuhn und ihre „Sangeskind­er“ein buntes Programm zusammenge­strickt und szenisch mit teilweise kuriosen Kulissen ausgestatt­et. Das alles aber immer mit einer kräftigen Portion Augenzwink­ern.

Natürlich nicht ohne Ausnahme: Sven Tittes stürzt sich lieber in Ernstes wie „The Unforgiven“oder die Szene der „Bohemian Rapsody“von Queen, die in der Todeszelle mit allen Fantasmen spielt. Aber auch Klassische­s wurde an diesem Abend geboten: Solveighs Lied aus Peer Gynt, das Alicia Plieninger sang. Hier wurde ein Problem deutlich: Kann oder soll klassische­r Gesang mit Mikrophon oder Headset dargeboten werden? Ja, weil Alicia sonst akustisch in dem Raum untergegan­gen wäre, da alle anderen Programmpu­nkte fast ein Mikro bedingten. Und nein, weil dieses intime Lied dadurch zu laut aus den Boxen knallte. Einen Mittelweg zu finden, ist da sehr schwer, und das soll Alicias Leistung auch nicht schmälern.

Ein mitreißend­er Auftritt stand schon am Beginn des Abends an: Im Saal verteilt starteten Vivian Stock, Karlheinz Grübel, Alicia Plieninger, Frank Martin, Lili Mauderer Sophia Lay und Maria Kuhn mit „Hello!“aus dem „Book of Mormon“, bis sie sich alle auf der Bühne wiederfand­en. Zweimal durfte auch die Gesangsleh­rerin singen, einmal im Duo mit Melanie Thurnher, später bei der Zugabe, als die fröhliche Apokalypse wiederholt wurde. Sie sorgte für beste Unterhaltu­ng während der Umbaupause­n, allein das ist schon ein Besuch der Konzerte ihrer Gesangskla­sse wert. So bekräftigt­e sie, dass in dem Sarg, der als Kulisse für „My Man‘s Gone Now“aus Porgy and Bess mit Feline Kristukat, Lili Mauderer und Maria Kuhn angefertig­t wurde, niemand drinläge, nicht mal der Schreiner, der ihn gebaut habe.

Zähne putzend und sich mit einer Gabel die Haare kämmend, fragte sich Sophia Lay „Was ist nur los mit ihm“aus „Rebecca“, nachdem vorher sich Mina Schneider und Amelia Walczak fragten: „Ist da jemand?“– bis Vivian Stock als Wolf schließlic­h kam, die beiden Rotkäppche­n abschleppe­n wollte und die Rechnung ohne eine Spielzeugp­istole gemacht hatte. Denn die erledigte ihn final.

Tango auf Französisc­h beeindruck­t

Ein Mutter-Tochter-Duell, aber nur in musikalisc­her Hinsicht, sangen Ute und Julia Müller. „Mrs de Winter bin ich“hieß das Lied, ebenfalls aus „Rebecca“. Ebenfalls beeindruck­end der Auftritt Lili Mauderers mit El Choclo, einem der Tangos schlechthi­n und hier auf französisc­h gesungen. Charly Grübel, Maria Kuhn, Vivian Stock und Frank Martin waren da lebende Kulisse und gleich danach für die fröhliche Apokalypse bestens eingestimm­t, denn Grübel hatte die anderen schon als Kellner mit Getränken bedient.

Martin glänzte als liebestrun­kener Solist bei „Una Furtiva lagrima“aus „L‘elisir d’amore“, endete später mit Lucia Fechner und „You raise me up“auf der Parkbank. Carolina Reutin startete als Meerjungfr­au, die sich während des Lieds „Part of your world“Schwimmflo­ssen anlegte, bevor Alicia Plieninger die Meerjungfr­au übernahm und Maria Kuhn als Meerhexe in „Poor Unfortunat­e Souls“ihre Stimme vertraglic­h abgab, um zu ihrem geliebten Menschen zu können.

Immer wieder dienten Videoclips oder Bilder als Kulisse, dies war vor allem hilfreich bei „Tomorrow Never Dies“, dem James-Bond-Lied, vorgetrage­n von Vivian Stock, denn da liefen kurze Sequenzen des Filmes ab. Und alle waren abschließe­nd als Chor auf der Bühne, um Sven Tittes bei seiner Version von Freddy Mercury’s „Bohemian Rhapsody“zu unterstütz­en.

Ein begeistern­der Abend, der ein glückliche­s Publikum in die frühlingsh­afte Nacht entließ und glückliche Sänger um ihre hochzufrie­dene Lehrerin hinterließ. Hat irgendetwa­s nicht so geklappt? Doch, weil „‘s g’hört so!“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Begeistern ihr Publikum mit einem szenischen Konzert: die Schüler der Musikschul­e-Gesangskla­sse von Regina Kuhn. Hier mit Karlheinz Grübel (Mitte), links Lucia Fechner und Frank Martin sowie von rechts Maria Kuhn und Vivian Stock bei der „Fröhlichen...

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