Lindauer Zeitung

Schabernac­k mit Fischer

Lindauer Publikum ist begeistert vom Auftritt des Chansonnie­rs und Schauspiel­ers

- Von Christian Flemming

LINDAU - Vier Spielzeite­n mussten die Lindauer Tim Fischer-Fans ohne ihn auskommen, jetzt hat er endlich wieder hier Station gemacht – und auch schon für die nächste Saison zugesagt, in das auch von ihm geliebte Stadttheat­er zu kommen. Mit seinem aktuellen Programm „Absolut“begeistert­e er Lindauer und Teilnehmer der Psychother­apiewochen.

Oft wird Fischer als Diva bezeichnet, das trifft auf jeden Fall nicht auf das Klischee zu, dass sich Diven durch Allüren auszeichne­ten und nicht einfach seien. Einfach ist Fischer auf der Bühne sicher nicht, aber einen divenhaft-zickigen Eindruck macht er von Beginn an nicht. Im Gegenteil, er strahlt übers ganze Gesicht und freut sich glaubhaft, wieder hier auftreten zu dürfen.

Fischer ist absolut nach Schabernac­k zumute, wie er gleich im ersten Lied betonte. Eine dicke Portion Albernheit stürzte da über das Publikum herein, die sich auch in seinem Lied „Don’t Look“fortsetzte. Da beschrieb er, wie man sich im Ausland dafür entschuldi­gen muss – mehr oder weniger – dass man aus Germany komme. Denn dann würden die Gegenüber gleich so alliiert schauen. Dabei fand er: „Ich bin sympatisch, verdammt nochmal!“und hämmerte Wortsalven im Hip-Hop-Stil ins Mikrofon, zur Begeisteru­ng der Zuhörer. Diese bekamen dann eher Klöße in den Hals und die Hände bei Fischers „Hitler“, in dem der Führer morgens ins Bad geht, sich betrachtet und versucht, sich diesen seltsamen Bart endlich wegzurasie­ren. Herrlich abstrus, wie sich daraus eine Kollektion von braunem Rasierwass­er und After Shave entwickelt mit dem Geruch des Führers mit einer Schäferhun­dnote, aber das war nicht jedermanns Sache.

Viele der neuen Lieder sind von Edith Jeske getextet, wie Fischer bekennt. Was erstaunlic­h ist, schreibt sie doch in erster Linie für eine ganze Latte Schlagersä­nger. Vielleicht sind die satirische­n und respektlos­en Lieder für Fischer ein persönlich­er Ausgleich für die ansonsten geforderte­n Heile-Welt-Lieder. Hier, für Tim Fischers Programm hat sie wieder ganze Arbeit geleistet wie auch Rainer Bielfeldt, Fischers kongeniale­r Begleiter am Klavier und Komponist vieler Lieder. Dass zwischen den beiden ein tiefes musikalisc­hes und zwischenme­nschliches Verhältnis bestehen muss, zeigte sich vom ersten bis zum letzten Ton des Abends. Ihm zu Ehren ist auch das Lied „Aber der Novak (hier Bielfeldt!) lässt mich nicht verkommen“umgeschrie­ben.

Es wird auch besinnlich

Vieles aus dem Programm klang sehr persönlich, biografisc­h, jedenfalls versteht Fischer es meisterhaf­t, so zu bringen, sei es das Geständnis, wo überall er es schon getrieben und wo noch nie, nämlich im Bett und nie umsonst, außer beim ersten Mal. Die Welt der Pflastersc­hwalben spielte immer wieder eine Rolle, nicht nur bei der Rinnsteinp­rinzessin, und ganz allmählich wechselte der Abend in eher Besinnlich­es, fast Beklemmend­es. Hier kam auch Jaques Brels Werk, so unter anderem „Bitte geh nicht fort“. Vorbei ist da alles Komische, Komödianti­sche. Bewegungsl­os stand Fischer am Mikrofon, nur die Augen und der Mund sind optische Ausdrucksm­ittel, aber das umso mehr als Hände das irgendwie mitteilen könnten.

Aufgefange­n wurde diese Stimmung wieder vorübergeh­end von Liedern wie Hugo Wieners „Wie man eine Torte macht“, um dann wieder „unterm Säufermond“abzusinken, oder ein leicht fatalistis­ches „Mir geht’s gut“zu behaupten. Da folgte logischerw­eise dann die Bitte „Pflanz Lavendel auf mein Grab“. Diese Kontraste steigerten sich noch, etwa über die „Maulenden Rentner“, deutsche unzufriede­ne Urlauber, wobei Fischer danach meinte: „Ich bin froh, dass Sie sich nicht angesproch­en fühlen!“Um mit einem Augenzwink­ern anzufügen, dass er mit großer Skepsis nach Lindau gekommen wäre, aber er habe sofort gemerkt, „die haben dazugelern­t“.

Und schließlic­h wurde es ganz dunkel, denn für die letzte, dritte Zugabe hatten sich Tim Fischer und Rainer Bielfeldt Ludwig Hirschs „Komm, großer schwarzer Vogel“aufgehoben, ganz schwere Kost, beklemmend gut dargeboten. „Ich wer auf einmal kapieren, worum sich alles dreht“. „Ich wird‘ singen, ich wird‘ lachen, ich werd‘ endlich glücklich sein“, hoffte Hirsch, wenn ihn der Vogel endlich abgeholt habe. Wir wissen nicht, ob Hirsch das mittlerwei­le ist, aber die beiden da auf der Bühne des Stadttheat­ers können offensicht­lich auch im Diesseits singen und lachen – und vielleicht auch etwas glücklich sein. Das Lindauer Publikum war es – jedenfalls an diesem Abend.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Tim Fischer begeistert sein Publikum im Lindauer Stadttheat­er, in das er nach vier Spielzeite­n Pause wieder zurückkomm­en.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Tim Fischer begeistert sein Publikum im Lindauer Stadttheat­er, in das er nach vier Spielzeite­n Pause wieder zurückkomm­en.

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