Schabernack mit Fischer
Lindauer Publikum ist begeistert vom Auftritt des Chansonniers und Schauspielers
LINDAU - Vier Spielzeiten mussten die Lindauer Tim Fischer-Fans ohne ihn auskommen, jetzt hat er endlich wieder hier Station gemacht – und auch schon für die nächste Saison zugesagt, in das auch von ihm geliebte Stadttheater zu kommen. Mit seinem aktuellen Programm „Absolut“begeisterte er Lindauer und Teilnehmer der Psychotherapiewochen.
Oft wird Fischer als Diva bezeichnet, das trifft auf jeden Fall nicht auf das Klischee zu, dass sich Diven durch Allüren auszeichneten und nicht einfach seien. Einfach ist Fischer auf der Bühne sicher nicht, aber einen divenhaft-zickigen Eindruck macht er von Beginn an nicht. Im Gegenteil, er strahlt übers ganze Gesicht und freut sich glaubhaft, wieder hier auftreten zu dürfen.
Fischer ist absolut nach Schabernack zumute, wie er gleich im ersten Lied betonte. Eine dicke Portion Albernheit stürzte da über das Publikum herein, die sich auch in seinem Lied „Don’t Look“fortsetzte. Da beschrieb er, wie man sich im Ausland dafür entschuldigen muss – mehr oder weniger – dass man aus Germany komme. Denn dann würden die Gegenüber gleich so alliiert schauen. Dabei fand er: „Ich bin sympatisch, verdammt nochmal!“und hämmerte Wortsalven im Hip-Hop-Stil ins Mikrofon, zur Begeisterung der Zuhörer. Diese bekamen dann eher Klöße in den Hals und die Hände bei Fischers „Hitler“, in dem der Führer morgens ins Bad geht, sich betrachtet und versucht, sich diesen seltsamen Bart endlich wegzurasieren. Herrlich abstrus, wie sich daraus eine Kollektion von braunem Rasierwasser und After Shave entwickelt mit dem Geruch des Führers mit einer Schäferhundnote, aber das war nicht jedermanns Sache.
Viele der neuen Lieder sind von Edith Jeske getextet, wie Fischer bekennt. Was erstaunlich ist, schreibt sie doch in erster Linie für eine ganze Latte Schlagersänger. Vielleicht sind die satirischen und respektlosen Lieder für Fischer ein persönlicher Ausgleich für die ansonsten geforderten Heile-Welt-Lieder. Hier, für Tim Fischers Programm hat sie wieder ganze Arbeit geleistet wie auch Rainer Bielfeldt, Fischers kongenialer Begleiter am Klavier und Komponist vieler Lieder. Dass zwischen den beiden ein tiefes musikalisches und zwischenmenschliches Verhältnis bestehen muss, zeigte sich vom ersten bis zum letzten Ton des Abends. Ihm zu Ehren ist auch das Lied „Aber der Novak (hier Bielfeldt!) lässt mich nicht verkommen“umgeschrieben.
Es wird auch besinnlich
Vieles aus dem Programm klang sehr persönlich, biografisch, jedenfalls versteht Fischer es meisterhaft, so zu bringen, sei es das Geständnis, wo überall er es schon getrieben und wo noch nie, nämlich im Bett und nie umsonst, außer beim ersten Mal. Die Welt der Pflasterschwalben spielte immer wieder eine Rolle, nicht nur bei der Rinnsteinprinzessin, und ganz allmählich wechselte der Abend in eher Besinnliches, fast Beklemmendes. Hier kam auch Jaques Brels Werk, so unter anderem „Bitte geh nicht fort“. Vorbei ist da alles Komische, Komödiantische. Bewegungslos stand Fischer am Mikrofon, nur die Augen und der Mund sind optische Ausdrucksmittel, aber das umso mehr als Hände das irgendwie mitteilen könnten.
Aufgefangen wurde diese Stimmung wieder vorübergehend von Liedern wie Hugo Wieners „Wie man eine Torte macht“, um dann wieder „unterm Säufermond“abzusinken, oder ein leicht fatalistisches „Mir geht’s gut“zu behaupten. Da folgte logischerweise dann die Bitte „Pflanz Lavendel auf mein Grab“. Diese Kontraste steigerten sich noch, etwa über die „Maulenden Rentner“, deutsche unzufriedene Urlauber, wobei Fischer danach meinte: „Ich bin froh, dass Sie sich nicht angesprochen fühlen!“Um mit einem Augenzwinkern anzufügen, dass er mit großer Skepsis nach Lindau gekommen wäre, aber er habe sofort gemerkt, „die haben dazugelernt“.
Und schließlich wurde es ganz dunkel, denn für die letzte, dritte Zugabe hatten sich Tim Fischer und Rainer Bielfeldt Ludwig Hirschs „Komm, großer schwarzer Vogel“aufgehoben, ganz schwere Kost, beklemmend gut dargeboten. „Ich wer auf einmal kapieren, worum sich alles dreht“. „Ich wird‘ singen, ich wird‘ lachen, ich werd‘ endlich glücklich sein“, hoffte Hirsch, wenn ihn der Vogel endlich abgeholt habe. Wir wissen nicht, ob Hirsch das mittlerweile ist, aber die beiden da auf der Bühne des Stadttheaters können offensichtlich auch im Diesseits singen und lachen – und vielleicht auch etwas glücklich sein. Das Lindauer Publikum war es – jedenfalls an diesem Abend.