Aufsteiger
Der neue britische Innenminister Sajid Javid, 48, verkörpert die multikulturelle, sozial durchlässige Leistungsgesellschaft auf der Insel. Der Sohn pakistanischer Einwanderer ist nach dem Rücktritt seiner Vorgängerin Amber Rudd der neue starke Mann im Kabinett von Premierministerin Theresa May. Javids Vater kam als 17-Jähriger mit genau einem Pfund ins Land, verdingte sich als Busfahrer und erwarb ein kleines Bekleidungsgeschäft. Der Sohn besuchte eine Staatsschule, studierte anschließend Ökonomie und Politik und machte Karriere in der City of London. Als Abteilungsleiter bei der Deutschen Bank war er auch für hochspekulative Finanzderivate zuständig. Dem globalen Finanzcrash entkam der Investmentbanker unbeschadet, indem er sich für die Torys einen Wahlkreis bei Birmingham sicherte.
Humor, eiserne Disziplin und die Protegierung durch den früheren Finanzminister George Osborne katapultierten den Millionär rasch ins Kabinett, zunächst als Kultur- und Wirtschaftsminister, zuletzt im schwierigen Kommunal- und Wohnungsbauressort. Beim Brexit-Referendum stimmte der Vater vierer Kinder „schweren Herzens“für den Verbleib. Seither hat sich Javid bei seiner mehrheitlich EU-feindlichen Partei mit der Bemerkung beliebt gemacht, bei einer neuerlichen Volksabstimmung würde er den Brexit befürworten. Das ist von erheblicher Bedeutung, schließlich galt Rudd neben Finanzminister Philip Hammond als wichtigste Befürworterin einer möglichst engen Beziehung zum Brüsseler Club. Am Mittwoch soll der zuständige Kabinettsausschuss klären, ob die Insel wirklich, wie von May beteuert, die Zollunion verlassen will. Dagegen wehrt sich nicht zuletzt das Oberhaus, das der Regierung am Montag bereits die neunte Abstimmungsniederlage beibrachte. Auch im Unterhaus dürfte es eine Mehrheit für eine Zollunion mit der EU geben, die Labour-Opposition sowie rund ein Dutzend Europa-freundlicher Torys eingeschlossen. Javids Position könnte den Ausgang des regierungsinternen Tauziehens entscheidend beeinflussen.
Sebastian Borger