Erdogans Kampf um die Auslandstürken
Angesichts des Verbots türkischer Wahlkampfveranstaltungen in Deutschland könnten Politiker aus der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan über die Grenze nach Frankreich ausweichen. Das Pariser Innenministerium habe türkischen Kundgebungen zugestimmt, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim dem Nachrichtensender CNN-Türk. In Frankreich leben zwar weit weniger Türken als in der Bundesrepublik, doch könnten Wahlkampfveranstaltungen in grenznahen Städten wie Straßburg dazu dienen, auch türkische Wähler in Deutschland zu erreichen.
Mit seinen 1,4 Millionen türkischen Wählern ist Deutschland für türkische Wahlkämpfer vor den Parlamentsund Präsidentschaftswahlen am 24. Juni bei Weitem das wichtigste Land in der EU. Das deutsche Verbot von Kundgebungen nach dem heftigen Streit um die Absagen von Auftritten vor dem türkischen Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr stellt Ankara vor ein Problem. Yildirim sagte in dem CNN-Türk-Interview, die französischen Behörden wollten türkische Wahlveranstaltungen erlauben, wenn die türkische Seite die Kundgebungen vorher anmelde und die nötigen Vorbereitungen treffe. Konkrete Pläne für eine Wahlkampfreise Erdogans nach Frankreich sind bisher aber nicht bekannt.
Der türkische Präsident will seinen ersten Wahlkampfauftritt im Ausland am 20. Mai in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo absolvieren. Dies sei Erdogans Antwort auf die „antidemokratischen Ankündigungen“anderer europäischer Länder, meldete die regierungsnahe Zeitung „Yeni Safak“mit Blick auf die Verbote in Deutschland, Österreich und den Niederlanden.
Mit besonderer Verärgerung reagiert die regierungsfreundliche Presse in der Türkei auf die Bemühungen der deutschen Behörden, einen Wahlkampfauftritt von Außenminister Cavusoglu bei der Solingen-Gedenkkundgebung am 29. Mai zu verhindern. Die Absage der gemeinsamen Gedenkveranstaltung von Landesregierung und Parlament in NordrheinWestfalen sei ein „Skandal“, kritisierten die Zeitung „Hürriyet“und andere regierungsnahe Blätter.
Die Allianz Deutscher Demokraten, eine Erdogan-freundliche Partei in Deutschland, kritisierte, das Auftrittsverbot in der Bundesrepublik richte sich nur gegen Politiker aus der Regierungspartei AKP und deren nationalistische Partner aus den Parteien MHP und BBP. Dagegen hätten Vertreter der Oppositionsparteien CHP, HDP und Iyi Parti in Deutschland ungestört mit Wahlkampfvorbereitungen beginnen dürfen. Das sei „einseitige Meinungsmache“.
Türkische Wähler sollen in der Bundesrepublik zwischen dem 4. und dem 17. Juni ihre Stimmen in diplomatischen Vertretungen ihres Landes abgeben können. Die Urnen mit den Stimmzetteln werden im Anschluss in die Türkei geflogen und erst dort geöffnet.