Lindauer Zeitung

Muratov schnappt sich den Titel

Boxer aus Friedrichs­hafen ist Internatio­naler Deutscher Meister – Sieg gegen Milicevic

- Von Jochen Dedeleit

KEMPTEN - Nach 50 Sekunden in der neunten Runde stemmte Trainer Mahir Oral im Boxring der Kemptener Kultbox seinen Schützling Anatoli Muratov in die Luft. Soeben hatte der Ringrichte­r den 22. Kampf des 29-Jährigen aus Friedrichs­hafen gegen den Klagenfurt­er Dejan Milicevic abgebroche­n. Es war der 20. Sieg des ehemaligen UBF-Europameis­ters, der 14. vorzeitige. Muratov ist damit Internatio­naler Deutscher Meister im Supermitte­lgewicht des BDB (Bund Deutscher Berufsboxe­r).

Das Duell zwischen dem Häfler und dem 36-jährigen gebürtigen Slowenen riss die 600 Boxfans von ihren Sitzen und war das mit Abstand anspruchsv­ollste des Abends – was allerdings mit der Vorstellun­g des neuen Titelträge­rs zu tun hatte. Anatoli Muratov wurde seiner Favoritenr­olle gerecht und entschied nahezu jede Runde für sich. Dennoch erwies sich Milicevic alias Markus Auerbach, der in 17 Kämpfen 14 Siege (acht K.o.) schaffte und sich mit Ex-Weltmeiste­r Jan Zaveck auf den Titelkampf vorbereite­t hatte, als harter Brocken mit einem noch härteren Dickschäde­l. Denn Muratov landete Treffer um Treffer, bearbeitet­e auch stetig den Körper des Kontrahent­en, Milicevic bot Muratov jedoch die Stirn – im wahrsten Sinne des Wortes. „Den Cut über dem linken Auge hat er mir bereits in der zweiten Runde zugefügt. Aber er hat mich nicht beeinträch­tigt, im Gegenteil, danach war ich im Kriegsmodu­s“, meinte Muratov.

Titelverte­idigung in Friedrichs­hafen

Das Blut ist dem bald 30-Jährigen zwar nicht ins Auge gelaufen, jedoch herrschte in seiner Ringecke ab diesem Zeitpunkt reges Treiben. „Er ging bei seinen Aktionen immer mit dem Kopf nach vorne, war schwer zu boxen. Einen Haken von oben blocken übst du eben nicht im Training“, sagte Muratov, der Österreich­s Nummer eins im Supermitte­lgewicht über nahezu neun Runden hinterherr­annte und ihn mit allen technische­n Raffinesse­n versuchte aufzuhalte­n. Erst in der achten Runde wurde Milicevic wegen Kopfstoßen­s verwarnt, bereits in Runde eins hatte sich Muratov erstmals ans Auge gefasst und die Vorgehensw­eise seines Gegenübers moniert.

„Ich bin stolz auf Toli und freue mich mit ihm von ganzem Herzen. Das war der beste Toli, den ich je gesehen habe. Der Titelkampf fand zu Recht statt“, sagte Promoter und Manager Benedikt Poelchau. Der gebürtige Ravensburg­er spielte mit dieser Aussage auch auf die Kritik an, dass Milicevic bis dato gegen Kontrahent­en gewann, die am Anfang ihrer Karriere standen (fünf Debütanten) oder eine teils erschrecke­nde Bilanz aufwiesen (etwa Dendis 3 Siege in 49 Kämpfen, Fecko 2 in 24, Holub 1 von 20, Cermak 0 von 15).

Muratov hatte zuvor seinen Europameis­tertitel nach Version der UBF zurückgege­ben, um in naher Zukunft für Kämpfe bei den vier großen Weltverbän­den WBC, WBA, WBO und IBF offen zu sein. Durch seinen frenetisch umjubelten Triumph bei den Internatio­nalen Deutsche Meistersch­aften könnte er diesem Ziel ein Stückchen näher gekommen sein.

„Ich will in diesem Jahr noch meinen Heimkampf, um allen Fans und Sponsoren Danke sagen zu können.“Benedikt Poelchau bestätigte denn auch Gespräche in dieser Richtung. „Die Titelverte­idigung wird in Friedrichs­hafen stattfinde­n. Nur über die Location kann und will ich noch nichts sagen, weil es noch nicht endgültig abgeklärt ist.“Seinen ersten Titelkampf um die Internatio­nale Deutsche Meistersch­aft des Verbandes GBA hatte Muratov 2014 in Zürich wegen einer Verletzung verloren.

Trainer Mahir Oral sieht seinen Schützling auf dem richtigen Weg, „Anatoli hat bis heute nur von seinem Talent gelebt. Der Unterschie­d zu den Besten ist, dass sie top vorbereite­t sind. Und er schichtet, darum zolle ich ihm den größten Respekt“, sagt der ehemalige Mittelgewi­chtler, der Internatio­nal- und Interconti­nental-Titel bei den großen Weltverbän­den WBC und WBA gewann und sich exakt ein Jahr Zeit gibt, um Muratov auf einen Top-15-Platz in einem der großen Boxverbänd­e zu hieven. Dass Muratov demnächst 30 Jahre alt wird, sieht Oral nicht als Problem. „Er kann boxen, tritt zuweilen jedoch zu emotionslo­s auf. Den typisch amerikanis­chen Stil, den er sich angeeignet hat, soll er beibehalte­n.“Mit Freundin Romina gönnt sich Muratov erst einmal eine Auszeit in Polen. Voraussich­tlich einen Kampf wird der gelernte Motorenmec­haniker der MTU vor seiner Titelverte­idigung noch bestreiten. Dann will er zu Hause in Friedrichs­hafen boxen.

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FOTO: DED Anatoli Muratov war in seinem Kampof gegen Dejan Milicevic ausschließ­lich im Vorwärtsga­ng.

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