Biber auf Städtetrip
Nager auf Reviersuche sind bis ins Zentrum von Kempten und Kaufbeuren vorgedrungen
KAUFBEUREN - Er lässt sich selten sehen – und wenn er am helllichten Tag auftaucht, verschwindet er schnell wieder. Trotzdem ist der neue „Kollege“bei den Mitarbeitern des Allgäuer Überlandwerks (AÜW) sehr beliebt: Seit einiger Zeit zieht ein Biber immer wieder seine Runden am großen Iller-Kraftwerk des Stromversorgers – nicht irgendwo im Außenbereich, sondern im Kemptener Zentrum, genauer gesagt am Rand der Altstadt. Mitten in Kaufbeuren, wenige Meter von einem Einkaufszentrum entfernt, trottete vor einiger Zeit ein Nager sogar die Straße entlang. Doch was wollen die ausgesprochen scheuen Tiere bloß in den Allgäuer Städten?
Auf der Suche nach Bauplätzen
Sie sind auf der Suche nach einem neuen Revier, erklärt Biberexpertin Sandra Trautmann vom Landratsamt Ostallgäu. Denn im Frühjahr müssten zweijährige Nager ihren Familienbund verlassen und sich eine eigene Burg bauen. „Da können sie schon mal in der Stadt landen.“So erging es vermutlich auch dem Kaufbeurer Biber. Da die Biberpopulation immer weiter wächst, sind gute Reviere oft schon besetzt. So müssen manche Tiere viele Kilometer zurücklegen, bis sie einen geeigneten Bauplatz finden. Viele merken jedoch schnell, dass sich die Stadt als Territorium nicht eignet: zu laut, zu hektisch und zu wenig Futter. „Wenn der Biber ein passendes Gewässer findet, kann es aber schon sein, dass er bleibt“, sagt die Ostallgäuer Biberexpertin.
Ein Biber im Gartenteich, Tunnel unter der Straße, angenagte Rosenstöcke – all das hat Trautmann schon erlebt. In Ronsberg (Ostallgäu) hat ein Nager sogar einen Obstbaum im Garten gefällt, um an die Früchte zu gelangen. Junge Tiere seien noch unerfahren und erkundeten erst mal verschiedene Gebiete. Wer einen Biber in seinem Garten findet, sollte ihn einfach in Ruhe lassen, rät Trautmann. „Normalerweise geht er von selbst wieder.“
Wie gefährlich Biber mitten im Ort sein können, hat die Gemeinde Fischen (Oberallgäu) erlebt. Dort grub ein Nager einen vier Meter langen Tunnel unter dem Spielplatz. Direkt neben der Schaukel hinterließ er ein großes Loch. Dort hätte ein Kind leicht hineinfallen können, sagt Zweiter Bürgermeister Bruno Sauter.
Die Gemeinde wandte sich an das Landratsamt, das schließlich dem Abschuss zustimmte. Der könne aber nur dann erlaubt werden, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist oder der Biber für erhebliche wirtschaftliche Schäden sorgt, erklärt Trautmann. Allgäuer Landwirte stehen wegen solcher Schäden seit Jahren auf Kriegsfuß mit dem Biber. Oft helfen aber auch präventive Möglichkeiten wie Elektrozäune oder Drahtgitter, um den Nager in Schach zu halten. Bevor Dämme zerstört werden, muss aber erst das Landratsamt seine Erlaubnis geben.
Stämme mit Quarzsand präpariert
Auch wenn Sauter persönlich nichts gegen die pelzigen Tiere hat: „In Fischen haben sie keinen Platz“, sagt er. Und dennoch müssten sich die Bürger mit ihnen arrangieren. „Man kann den Biber bei uns im Ort gar nicht raushalten.“Denn das Dorf durchziehen gleich mehrere Flüsse. Erst im vergangenen Jahr hatte ein Tier im Kurpark gewütet, Dämme errichtet und große Bäume wie Pappeln oder Ahorn gefällt. Die Tunnel sind inzwischen zugeschüttet. An die Stämme ließ die Gemeinde Quarzsand schmieren, um die Nager abzuschrecken. „Momentan ist die Lage entschärft“, sagt Sauter. Doch die Fischinger wissen: Der Biber kommt sicher wieder.
Da staunten viele Kaufbeurer nicht schlecht: Auf Höhe des Mühlenparkplatzes lief ein Biber die Espachstraße hinauf. Wenn die Nager sich einen Bauplatz für ihre Burg suchen, durchqueren sie hin und wieder Städte.