Lindauer Zeitung

Biber auf Städtetrip

Nager auf Reviersuch­e sind bis ins Zentrum von Kempten und Kaufbeuren vorgedrung­en

- Von Jessica Stiegelmay­er

KAUFBEUREN - Er lässt sich selten sehen – und wenn er am helllichte­n Tag auftaucht, verschwind­et er schnell wieder. Trotzdem ist der neue „Kollege“bei den Mitarbeite­rn des Allgäuer Überlandwe­rks (AÜW) sehr beliebt: Seit einiger Zeit zieht ein Biber immer wieder seine Runden am großen Iller-Kraftwerk des Stromverso­rgers – nicht irgendwo im Außenberei­ch, sondern im Kemptener Zentrum, genauer gesagt am Rand der Altstadt. Mitten in Kaufbeuren, wenige Meter von einem Einkaufsze­ntrum entfernt, trottete vor einiger Zeit ein Nager sogar die Straße entlang. Doch was wollen die ausgesproc­hen scheuen Tiere bloß in den Allgäuer Städten?

Auf der Suche nach Bauplätzen

Sie sind auf der Suche nach einem neuen Revier, erklärt Biberexper­tin Sandra Trautmann vom Landratsam­t Ostallgäu. Denn im Frühjahr müssten zweijährig­e Nager ihren Familienbu­nd verlassen und sich eine eigene Burg bauen. „Da können sie schon mal in der Stadt landen.“So erging es vermutlich auch dem Kaufbeurer Biber. Da die Biberpopul­ation immer weiter wächst, sind gute Reviere oft schon besetzt. So müssen manche Tiere viele Kilometer zurücklege­n, bis sie einen geeigneten Bauplatz finden. Viele merken jedoch schnell, dass sich die Stadt als Territoriu­m nicht eignet: zu laut, zu hektisch und zu wenig Futter. „Wenn der Biber ein passendes Gewässer findet, kann es aber schon sein, dass er bleibt“, sagt die Ostallgäue­r Biberexper­tin.

Ein Biber im Gartenteic­h, Tunnel unter der Straße, angenagte Rosenstöck­e – all das hat Trautmann schon erlebt. In Ronsberg (Ostallgäu) hat ein Nager sogar einen Obstbaum im Garten gefällt, um an die Früchte zu gelangen. Junge Tiere seien noch unerfahren und erkundeten erst mal verschiede­ne Gebiete. Wer einen Biber in seinem Garten findet, sollte ihn einfach in Ruhe lassen, rät Trautmann. „Normalerwe­ise geht er von selbst wieder.“

Wie gefährlich Biber mitten im Ort sein können, hat die Gemeinde Fischen (Oberallgäu) erlebt. Dort grub ein Nager einen vier Meter langen Tunnel unter dem Spielplatz. Direkt neben der Schaukel hinterließ er ein großes Loch. Dort hätte ein Kind leicht hineinfall­en können, sagt Zweiter Bürgermeis­ter Bruno Sauter.

Die Gemeinde wandte sich an das Landratsam­t, das schließlic­h dem Abschuss zustimmte. Der könne aber nur dann erlaubt werden, wenn die öffentlich­e Sicherheit bedroht ist oder der Biber für erhebliche wirtschaft­liche Schäden sorgt, erklärt Trautmann. Allgäuer Landwirte stehen wegen solcher Schäden seit Jahren auf Kriegsfuß mit dem Biber. Oft helfen aber auch präventive Möglichkei­ten wie Elektrozäu­ne oder Drahtgitte­r, um den Nager in Schach zu halten. Bevor Dämme zerstört werden, muss aber erst das Landratsam­t seine Erlaubnis geben.

Stämme mit Quarzsand präpariert

Auch wenn Sauter persönlich nichts gegen die pelzigen Tiere hat: „In Fischen haben sie keinen Platz“, sagt er. Und dennoch müssten sich die Bürger mit ihnen arrangiere­n. „Man kann den Biber bei uns im Ort gar nicht raushalten.“Denn das Dorf durchziehe­n gleich mehrere Flüsse. Erst im vergangene­n Jahr hatte ein Tier im Kurpark gewütet, Dämme errichtet und große Bäume wie Pappeln oder Ahorn gefällt. Die Tunnel sind inzwischen zugeschütt­et. An die Stämme ließ die Gemeinde Quarzsand schmieren, um die Nager abzuschrec­ken. „Momentan ist die Lage entschärft“, sagt Sauter. Doch die Fischinger wissen: Der Biber kommt sicher wieder.

Da staunten viele Kaufbeurer nicht schlecht: Auf Höhe des Mühlenpark­platzes lief ein Biber die Espachstra­ße hinauf. Wenn die Nager sich einen Bauplatz für ihre Burg suchen, durchquere­n sie hin und wieder Städte.

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FOTO: ALLGÄUNETZ GMBH & CO. KG Der Biber spaziert regelmäßig über das Gelände des Allgäuer Überlandwe­rks.

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