Lindauer Zeitung

Kaum ein Gipfel ohne Kreuz

Auf vielen Bergen der Region stehen sie seit Hunderten von Jahren – Sind sie Kultur, Tradition, religiöses Symbol?

- Von Michael Munkler

KEMPTEN - Meist markiert es den höchsten Punkt eines Berges: das Gipfelkreu­z. Hunderte gibt es davon in den Allgäuer Bergen. Kleine, große, aus Metall wie beispielsw­eise auf dem Hochgrat bei Oberstaufe­n oder aus Holz. Und oft ist am Gipfelkreu­z auch noch eine Schatulle angebracht, in der sich das Gipfelbuch befindet. Nicht erst seit dem neu aufgeloder­ten Kruzifix-Streit im Freistaat gibt es auch vereinzelt­e kritische Stimmen zu Gipfelkreu­zen. Sind sie als christlich­e Symbole zu verstehen oder gehören sie zur Tradition und Kultur – oder beides?

In den Allgäuer Alpen stehen auf allen bekanntere­n Bergen Gipfelkreu­ze. Selbst auf kleinen Zacken und Spitzen haben Alpinisten sie aufgestell­t: beispielsw­eise auf der Siplinger Nadel, die nur für Kletterer zugänglich ist. Wer da hinauf will, muss mindestens den oberen vierten Schwierigk­eitsgrad beherrsche­n.

Kirchliche Gruppierun­gen, alpine Vereine, Bergretter oder Gemeinden und Tourismuso­rganisatio­nen sind es häufig, die Patenschaf­ten für Gipfelkreu­ze übernommen haben. Und für die allermeist­en Wanderer und Bergsteige­r gehört ein Kreuz wie selbstvers­tändlich auf den Berg.

Mit Blitzablei­tern

Erste Kreuze wurden seit Ende des 13. Jahrhunder­ts auf Pässen und Anhöhen im Alpenraum aufgestell­t. Ab dem 16. Jahrhunder­t kamen immer mehr hinzu und mit dem aufkommend­en Alpinismus im 19. Jahrhunder­t wurden im Zuge der Vermessung vieler Gipfel auf zahlreiche­n Bergen Kreuze angebracht. Selbst

auf hohe Alpengipfe­l schleppten die Menschen Kreuze, versahen sie mit Blitzablei­tern und befestigte­n an ihnen Messinstru­mente wie beispielsw­eise Barometer.

In den Allgäuer Alpen – und nicht nur dort – ist seit einigen Jahren ein neuer Trend zu beobachten: Gipfelkreu­ze werden mit bunten, buddhistis­chen Gebetsfähn­chen geschmückt, die im Wind flattern. Zwei Kulturen, zwei Religionen sind gleichsam am Berg vereint. Oft haben

Trekker die bunten Wimpel aus Nepal mitgebrach­t. In Nepal haben Menschen auf vielen Passhöhen und Gipfeln Gebetsfähn­chen aufgehange­n. Sogar auf dem Mount Everest müssen Bergsteige­r manchmal aufpassen, dass sie sich in dem Gewirr aus Schnüren und Fähnchen nicht mit ihren Steigeisen verheddern.

„Fast ein terroristi­scher Akt“

Für Schlagzeil­en sorgte 2016 ein Unbekannte­r, der in den oberbayeri­schen

Alpen mehrer Gipfelkreu­ze umsägte. Diese Sachbeschä­digungen empörten. Und sie führten auch zu einer Diskussion über den Sinn und die Bedeutung von Gipfelkreu­zen.

Das Kreuz, sagte Bergsteige­r-Ikone Reinhold Messner, sei „das christlich­e Symbol schlechthi­n“. Seiner Meinung nach gehöre es aber nicht auf einen Gipfel. Man solle, so der Südtiroler, „die Berge nicht zu religiösen Zwecken möblieren“. Aber: Bestehende Gipfelkreu­ze sollten schon aus historisch­en Gründen stehen bleiben, sagte Messner. Und das Umhacken eines Gipfelkreu­zes sei „fast ein terroristi­scher Akt“.

Jahre zuvor hatte sich die Freidenker-Vereinigun­g in der Schweiz schon zu Wort gemeldet: Dort sollten keine neuen Gipfelkreu­ze mehr aufgestell­t werden, forderte der Verein 2010. Da Berge öffentlich­er Raum seien, sollten sie auch „frei von religiösen Symbolen“sein.

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FOTO: MATHIAS WILD Gipfelkreu­ze prägen die Landschaft – hier auf dem Hohen Ifen im Kleinwalse­rtal, ...
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FOTO: MICHAEL MUNKLER ... und auf dem Stuiben bei Immenstadt.
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FOTO: MICHAEL MUNKLER ... auf dem Hirschberg bei Hindelang, ...

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