Landkreise beschweren sich über finanziellen Aderlass
Vor dem Jahrestreffen des Landkreistags ledert der Präsident gegen die Staatsregierung
MÜNCHEN - Die Jahresversammlung des Bayerischen Landkreistags, die von Dienstag bis Mittwoch in Weißenhorn im Landkreis Neu-Ulm über die Bühne geht, könnte für den als Gastredner geladenen neuen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) teuer werden. Vor Landtagswahl und der Verabschiedung des bayerischen Doppelhaushalts sieht Christian Bernreiter (CSU), Landrat von Deggendorf und Präsident des Landkreistages, jetzt den geeigneten Zeitpunkt gekommen, einiges für die 71 Landkreise des Freistaats herauszuholen.
Der CSU-Kommunalpolitiker relativierte am Montag die Aussage der Staatsregierung, wonach kein anderes Bundesland so großzügig mit seinen Kommunen umgehe wie der Freistaat. Dabei werde „die Ausgabenseite ausgeblendet“, sagte Bernreiter. Viele Kosten, etwa im Baubereich, liefen den Landkreisen davon. Außerdem litten die Landkreise als Kommunen unter der Personalnot der staatlichen Landkreisverwaltung. Immer mehr Kreisbedienstete müssten für staatliche Aufgaben eingesetzt werden, weil die Ausstattung mit staatlichem Personal unzureichend sei. Man tue dies, um den Staat insgesamt am Laufen zu halten.
Die Kreise haben nach Angaben Bernreiters genau ausgerechnet, was sie ohne Verpflichtung für den Staat leisten müssen. Allein 2017 seien für den Vollzug der staatlichen und übertragenen Aufgaben zusätzlich 145 Millionen aus Mitteln der Kreishaushalte aufgewendet worden. Das entspreche 1450 Stellen, die den Landratsämtern derzeit fehlten. Der Freistaat müsse für eine bessere Ausstattung mit staatlichem Personal sorgen oder die Millionen erstatten, so die Forderung der Landkreise.
Bernreiter gegen Beitragssenkung
Nicht gut zu sprechen ist der Landkreis-Chef auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Während die Landkreise nicht wüssten, wie sie die kräftige jüngste Tariferhöhung von 7,5 Prozent auf 30 Monate finanzieren sollten, propagiere der CDU-Politiker eine Senkung der Krankenkassenbeiträge. Bislang allein gelassen fühlen sich die Landkreise auch beim Thema digitale Schule. Die Kommunen als Sachaufwandsträger für insgesamt 4.800 öffentliche Schulen stünden wegen der Digitalisierung vor einer „Kostenexplosion“.
Mit Tafel, Kreide und Schulbüchern seien die Aufwendungen für das digitale Klassenzimmer nicht mehr vergleichbar, so Bernreiter. In Deggendorf koste die digitale Betreuung für eine von 17 Schulen allein 110000 Euro im Jahr. Der Landkreis Cham finanziere vier EDV-Betreuer. „Das sind horrende Kosten, auf denen wir nach den heutigen Gesetzen sitzen bleiben“, klagte der Landrat. Das Schulfinanzierungsgesetz stamme aus einer völlig anderen Zeit und müsse geändert werden.
Kosten und Zeit in enormem Ausmaß verschlingt nach den übereinstimmenden Erfahrungen der Landräte im Freistaat die Bürokratie, zum Beispiel bei der Vergabe von Bauleistungen. Bernreiters Fazit: "Wir verwalten uns zu Tode".
Zu der Landkreisversammlung im Landkreis Neu-Ulm werden neben Ministerpräsident Söder auch EUKommissar Günther Oettinger (CDU) und der Parteienforscher Jürgen Falter erwartet.