Koalition beschließt „Wohnraumoffensive“
Baukindergeld soll rückwirkend ab 1. Januar 2018 gelten
BERLIN - Vier Milliarden Euro für neue Sozialwohnungen, Baukindergeld und Gebäudesanierung, dazu eine schärfere Mietpreisbremse: Die Fraktionsspitzen von Union und SPD haben am Montag auf der Zugspitze eine „Wohnraumoffensive“beschlossen, die der Wohnungsnot in Deutschland ein Ende setzen soll. Kosmetische Maßnahmen oder der große Wurf? Fakten zu den Plänen der Großen Koalition:
Baukindergeld:
Das Herzanliegen der CSU wird nun rückwirkend zum 1. Januar 2018 eingeführt, wie CSULandesgruppenchef Alexander Dobrindt bei der Klausurtagung der Fraktionsspitzen von Union und SPD auf der Zugspitze bestätigte. Pro Kind gibt es über einen Zeitraum von insgesamt zehn Jahren einen Zuschuss von 12 000 Euro für den Kauf von Haus oder Wohnung. Allerdings nur für Eltern, die zusammen nicht mehr als 75 000 Euro plus einen Freibetrag von 15 000 Euro pro Kind verdienen. Bei drei Kindern läge die Verdienstgrenze also bei 120 000 Euro. Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) geht laut einer Berechnung davon aus, dass 200 000 Familien das neue Instrument nutzen könnten, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Mit dem Zuschuss reagiert die Regierung auf die teils massiv gestiegenen Immobilienpreise. Sie will überdies ein Bürgschaftsprogramm der KfW auflegen, mit dem Familien einen Teil des Kaufpreises absichern können. Linkspartei und Grüne sehen das Baukindergeld kritisch, weil es die Wohnungsnot für Geringverdiener nicht lindere, da für diese der Immobilienkauf trotz Förderung unerschwinglich bleibe. Im Haushalt sind für Baukindergeld sowie steuerliche Förderung von Wohneigentum und energetischer Gebäudesanierung insgesamt zwei Milliarden Euro reserviert.
Sozialer Wohnungsbau:
In den Bau neuer Sozialwohnungen steckt die Große Koalition laut Haushaltsplan 1,5 Milliarden Euro. Das sind 500 Millionen Euro weniger, als im Koalitionsvertrag zugesagt. Ziel ist es, dass in Deutschland bis 2021 insgesamt 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen. Die für die weitere Förderung des sozialen Wohnungsbaus notwendige Grundgesetzänderung ist bereits auf den Weg gebracht. Das Problem: Jährlich fallen bis zu 50 000 Sozialwohnungen aus der Bindung, gelangen also auf den freien Markt. Der tatsächliche Bedarf an Sozialwohnungen wird nach Meinung zahlreicher Experten durch die Pläne der Großen Koalition nicht annähernd gedeckt werden können. Die Linkspartei fordert fünf Milliarden Euro jährlich für den Neubau von Sozialwohnungen. Die Grünen verlangen eine Garantie, dass öffentlich geförderte Wohnungen gemeinnützig bleiben.
Mietpreisbremse:
Bisher darf die Miete in über 300 Städten und Gemeinden im Rahmen der Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen nur maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Mangels Sanktionsmöglichkeiten und Unkenntnis der Vormieten wird die „Mietpreisbremse“aber oft umgangen und Mieten teils um bis zu 30 Prozent erhöht. Künftig wird es für Vermieter Pflicht, über die Vormiete Auskunft zu geben, ohne dass der potenzielle Mieter nachfragen muss. Zum zweiten wird eine Obergrenze für die Mieterhöhungen nach Modernisierungen von acht Prozent eingezogen. Die Miete darf binnen sechs Jahren nach der Sanierung um nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter angehoben werden. Damit werde dem „Herausmodernisieren“ein Riegel vorgeschoben, heißt es im Beschlusspapier der Klausurteilnehmer auf der Zugspitze. Die Schärfung der Mietpreisbremse werde noch im Sommer ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Für Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sind die Pläne nur „halbherzig“. Vermietern blieben viele Schlupflöcher und Ausnahmen – etwa durch die Möblierung oder beim Neubau – die die Wirksamkeit dieses Instrumentes auch weiterhin unterliefen. „Insofern bleibt es bei Symbolpolitik“, sagte sie. Auch der Mietspiegel soll reformiert werden, um Mietern transparente Informationen zur Verfügung zu stellen.
Neubauförderung:
Damit wieder mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut wird, wird für Immobilienprojekte eine bis 2021 befristete Sonderabschreibung von fünf Prozentpunkten eingeführt. Um das Problem des knappen Baulandes soll sich eine Expertenkommission kümmern, die beim Bundesbauministerium eingerichtet wird. Sie soll Vorschläge für eine nachhaltige Baulandmobilisierung ausarbeiten. Zu den geplanten Instrumenten gehören neue Reinvestitionsmöglichkeiten, wenn landwirtschaftliche Fläche in Bauland umgewandelt wird, sowie steuerlicher Spielraum für Kommunen. Überdies soll das Bauplanungsrecht vereinfacht werden.