Lindauer Zeitung

„Zwischen Pest und Cholera“

Architektu­rforum Allgäu übt scharfe Kritik an Plänen für das Memminger Bahnhofsar­eal

- Von Birgit Schindele

MEMMINGEN - Als Beispiel einer verfehlten Stadtentwi­cklung bezeichnet das Architektu­rforum Allgäu die Entscheidu­ng des Memminger Stadtrats in Sachen Bahnhofsar­eal. Die Kritik übt der Verein in seiner „Randnotiz“. Dabei handelt es sich um eine Publikatio­n der Architekte­n, die in unregelmäß­igen Abständen erscheint und in der das Forum öffentlich über Gebäude und Gestaltung berichtet und urteilt.

Für die Sanierung des herunterge­kommenen Bahnhofsvi­ertels wurde bereits im Jahr 2013 ein Investoren-Wettbewerb ausgeschri­eben. Am 5. Februar dieses Jahres entschied sich der Stadtrat schließlic­h zwischen zwei Entwürfen. Im Rennen war die niederländ­ische Ten Brinke Group und die ActivGroup aus dem Kreis Biberach. Die Entscheidu­ng für das Konzept aus den Niederland­en spaltete dann die MZ-Leser bei einer Umfrage in zwei Lager: Während die einen der Meinung sind, dass sich die vorgeschla­genen Giebeldäch­er sehr gut ins Stadtbild einfügen würden, halten die anderen das Konzept für altmodisch, brav und bieder.

Das Urteil des Architektu­rforums hingegen ist eindeutig. „So macht man keine Stadtplanu­ng“, sagt ein Sprecher. Dabei prangert das Forum bereits die Wahl zwischen den beiden Konzepten an. Es bezeichnet diese als „Entscheidu­ng zwischen Pest und Cholera – ohne wirkliche Wahlmöglic­hkeiten“. Denn beide Vorschläge klammerten das Thema Wohnen praktisch gänzlich aus. „Und beide Investoren­Entwürfe wollen das Gebiet flächendec­kend dem Erdboden gleich machen“, heißt es in der „Randnotiz“. Im Fokus des Gewinners stehe der Bau von Gewerbe und Bürofläche­n. Das offenbare das Ziel des Unternehme­ns: maximale Rendite. „Was ist am Feierabend oder am Wochenende?“, fragt der Sprecher des Forums und gibt zur Antwort: „Dann ist das Stadtviert­el tot.“Für das Architektu­rforum ist nicht nachvollzi­ehbar, dass sich in Memmingen ein solches Konzept durchgeset­zt hat. Denn gerade in einer Stadt, die einst für ihre guten Konzepte ausgezeich­net wurde, hätten die Architekte­n mehr erwartet. Als Beispiele von erfolgreic­her Stadtplanu­ng nennen sie den Schrannenp­latz, das Elsbethena­real und die Fußgängerz­one. „Den guten Weg hat man nun verlassen, um etwa 500 Meter entfernt genau das Gegenteil zu machen“, sagt der Sprecher. Im vergangene­n Jahr habe das Forum versucht, auf die problemati­sche Vorgehensw­eise der Stadt hinzuweise­n, besagt die Randnotiz. Aber dies „verhallte leider ungehört“.

Die angeführte­n Beispiele zeigen nach Meinung des Sprechers, wie Städte erfolgreic­h belebt werden können. „Stadtentwi­cklung heißt, eine Stadt weiterzuba­uen“, betont er. Und zwar auch mit der vorhandene­n Substanz.

Deutliches Zeichen setzen

Für das Bahnhofsar­eal kommt die Kritik laut dem Architektu­rforum leider zu spät. „Trotzdem muss bei der Stadt ein Umdenken stattfinde­n“, sagt der Sprecher. Dabei gehe es um die künftige Entwicklun­g Memmingens. Dafür müssten alle Bürger von Beginn an dauerhaft eingebunde­n sein. Gleichzeit­ig sollten künftige Projekte durch Fachleute begleitet werden. Eine derartige Fehlentsch­eidung – wie im Falle des Bahnhofare­als – sollte sich nicht wiederhole­n. Mit der „Randnotiz“will das Architektu­rforum Allgäu daher ein deutliches Zeichen setzen: „Obwohl wir an der Entscheidu­ng des Stadtrats nichts mehr ändern können – können wir das nicht kritiklos hinnehmen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany