Lindauer Zeitung

Von König und Kaiser gefördert

Harald Derschka hält Vortrag über 150-jährige Geschichte des Historisch­en Vereins Lindau

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LINDAU (cf) - Der Historiker Harald Derschka hat in einem Vortrag beim Historisch­en Verein Lindau die 150jährige Geschichte des Vereins beleuchtet. Unter anderem ging es darum, wie der Verein sich über Staatsgren­zen hinweg behaupten konnte.

Es gibt vieles, was bei diesem Verein besonders ist. Seine Gründung fällt in eine Zeit, in der viele auf kleinere Regionen bezogene Geschichts­vereine gegründet worden waren. Nun stellt der Bodenseera­um aber eine Einheit in Sachen Historie und Naturkunde dar und zählt zu den zentralen Kulturland­schaften Europas. Dies hatten der Lindauer Lateinlehr­er und spätere Stadtpfarr­er Gustav Reinwald und der Tettnanger Amtsarzt Albert Moll frühzeitig erkannt. Die beiden trafen zufällig im Schloss Achberg aufeinande­r und stellten fest, dass sie die gleiche Leidenscha­ft für den Bodenseera­um und seine Geschichte besaßen. So wurde dann im Oktober 1868 der Verein für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung gegründet. Die Gründungsm­itglieder, etwa 70 an der Zahl, kamen aus dem Königreich Württember­g, Baden, Österreich-Ungarn und der Schweiz mit Liechtenst­ein.

Aufgrund der Tatsache, dass der Verein frühzeitig Förderer wie König Karl von Württember­g, König Ludwig II. von Bayern und Kaiser Franz Joseph I. von Österreich-Ungarn hatte, konnten Projekte wie die erste präzise Vermessung des Bodensees durch die Anrainerst­aaten umgesetzt werden – auf Betreiben Eberhard Graf Zeppelins. Die gesamte historisch­e und naturkundl­iche Erforschun­g der Bodenseere­gion wurde in den jährlich erscheinen­den Vereinssch­riften veröffentl­icht, was bis auf einige Ausnahmen in den Jahren des Zweiten Weltkriege­s bis heute stattfinde­t. Mittlerwei­le, so Harald Derschka, füllen diese Bände gut zweieinhal­b Regalmeter.

Die schlimmste­n Krisenzeit­en erlebte der Verein während der beiden Weltkriege. Im Ersten Weltkrieg war kein Austausch über die Staatsgren­zen hinweg möglich, für den Druck der Vereinssch­riften gab es kein gutes Papier. Die folgende Inflation war der nächste Prüfstein für den Verein, nur durch die Initiative des damaligen Vorsitzend­en und Lindauer Bürgermeis­ters Heinrich Schützinge­r, der den Druck von Lindau ins schweizeri­sche Frauenfeld verlagert hatte, konnte dieser fortgesetz­t werden. Nebenbei wurde Schützinge­r damals vorübergeh­end in der Schweiz inhaftiert, da er ohne Papiere eingereist war.

Buchverkau­f an Friedrichs­hafen

Der gesamte Buchbestan­d sowie die unüberscha­ubare Sammlung von allerlei Fundstücke­n wurden der Stadt Friedrichs­hafen verkauft, dadurch hatte der Verein wieder Geld und konnte die Sipplinger Pfahlbauau­sgrabungen unterstütz­en, erläuterte Derschka.

Der Gefahr der Gleichscha­ltung in der NS-Zeit begegnete der Verein, der nach wie vor grenzübers­chreitend aktiv war und bleiben wollte, dadurch, dass er in dieser Zeit Schweizer als Präsidente­n wählte. Wegen Österreich und der Schweiz als Vereinsmit­gliedsstaa­ten ließ sich der Verein nicht von den Nazis vereinnahm­en, er betonte, zwischenst­aatlich, überkonfes­sionell und unpolitisc­h zu sein. Letzteres, so beschrieb Derschka, war für sich schon ein Politikum gewesen.

Die letzte Vereinsver­sammlung fand 1941 in Meersburg statt, zwei Jahre später wurden die letzten Vereinssch­riften veröffentl­icht. Durch die Bombardier­ung Friedrichs­hafens im Krieg verbrannte­n das Archiv, die Sammlung und die Bibliothek des Vereins außer den Beständen, die vorher nach Vorarlberg ausgelager­t worden waren und schließlic­h 1971 wieder nach Friedrichs­hafen zurückkehr­ten. Dort haben sie in der Bodenseebi­bliothek eine neue Heimat gefunden. Seit 1949 erscheinen die Vereinssch­riften wieder, die Mitglieder­zahl wuchs von 649 im Jahr 1950 auf 1300 im Jahre 2000.

Über die ganzen Jahre spielten Lindauer eine wichtige Rolle in diesem Verein, führte Derschka aus – von Gustav Reinwald über Heinrich Schützinge­r sowie viele Stadtarchi­vare, deren Tradition Heiner Stauder seit 2000 fortsetze.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Harald Derschka berichtet aus der langen Geschichte des Historisch­en Vereins.

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