Lindauer Zeitung

Damit viele Lindauer ihre Stadt gestalten

Stadtverwa­ltung will Bürgerbete­iligung nach Vorarlberg­er Vorbild einführen.

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Mehr Lindauer sollen sich an der Gestaltung ihrer Stadt beteiligen. Dabei will die Verwaltung vor allem junge Menschen ansprechen. Nach Vorarlberg­er Vorbild denkt Pressespre­cher Jürgen Widmer an eine sogenannte Projektwer­ft. Was er damit meint, hat er am Mittwochab­end im Stadtrat vorgestell­t.

Die Stadt hat in den vergangene­n Jahren viele Formen der Bürgerbete­iligung ausprobier­t. Doch insgesamt leidet Lindau darunter, dass meist die gleichen Menschen dabei sind, dass diese Menschen fast ausnahmslo­s zur älteren Generation gehören und dass die Beteiligte­n dabei oft mehr streiten als gemeinsam eine Lösung zu suchen. „Oft geht es nur darum, Recht zu haben“, sagt Widmer. In vielen Fragen sind die Fronten deshalb sehr verhärtet. Äußeres Zeichen sind die verschiede­nen Bürgerents­cheide der vergangene­n Jahre.

Widmer hat sich deshalb mit den sogenannte­n Projektsch­mieden befasst, die in Vorarlberg sehr erfolgreic­h sind. Auch verschiede­ne deutsche Großstädte greifen inzwischen auf dieses Format zurück, um Bürger am Stadtgesch­ehen zu beteiligen. Das soll nicht das politische Tauziehen um die richtigen Lösungen ersetzen, deshalb wird sich auch nichts daran ändern, dass laut Gesetz der Stadtrat das letzte Wort hat. Aber das Format kann dazu führen, dass mehr Bürger an einem Strang ziehen, weil sie sich zuvor auf ein gemeinsame­s Ziel geeinigt haben.

Die Lindauer Projektwer­ft soll ein Klima des Vertrauens schaffen, ein Raum für Ideen sein. Dabei geht es nicht nur um städtische Themen. In Vorarlberg nutzen auch Vereine das Format, um ihre Probleme zu lösen. Und manche Privatpers­on hat sich dort ebenfalls schon Hilfe geholt. Wichtige Voraussetz­ung ist laut Widmer, dass die Teilnehmer eine Grundregel anerkennen: „Nicht alle Ideen werden umgesetzt.“Denn manche Ideen schließen sich auch gegenseiti­g aus. Anderersei­ts müssten Stadtrat und Verwaltung den echten Willen haben, vieles eben doch umzusetzen, denn die Projektwer­ft dürfe keine Alibiveran­staltung sein.

Voraussetz­ung für den Erfolg ist laut Widmer, dass sich alle Beteiligte­n auf Augenhöhe begegnen. In Vorarlberg nennen sich deshalb alle beim Vornamen, Berufe und Herkunft spielen keine Rolle. Ausgebilde­te Moderatore­n achten darauf, dass die Gespräche lösungsori­entiert ablaufen. Konfrontat­ionen wollen sie vermeiden. Bei den Treffen ist jeder eingeladen, der sich vorab im Internet anmeldet.

Beim Treffen gibt es dann die Projektgeb­er, die ihre Ideen und Vorschläge in kleinen Runden vorstellen. Dabei müssen sie alles stark zusammenfa­ssen, denn sie haben nicht mehr als zwei Minuten Zeit. Das zwingt zur Konzentrat­ion auf das Wesentlich­e und führt dazu, dass Selbstdars­teller fernbleibe­n.

In einer Runde sitzt der Projektgeb­er mit anderen Interessie­rten am Tisch, den sogenannte­n Begleitern. Sie bringen ihre Ideen zu dem Projekt ein und diskutiere­n das. Da es mehrere solcher Tische gleichzeit­ig gibt, wechseln die Begleiter nach einer gewissen Zeit an einen anderen Tisch. Dort sprechen sie über die Ideen aus der ersten Runde und ergänzen sie mit eigenen Vorschläge­n. Nach einer gewissen Zeit kehrt dann wieder jeder an den ersten Tisch zurück. Jetzt geht es darum, konkrete Handlungss­chritte zu besprechen. Denn viele gute Ideen leiden darunter, dass die Projektgeb­er nur träumen, aber nichts umsetzen.

Die Projektwer­ft bietet auch den Leisen ein Forum

Die Erfahrung zeigt, dass das Verfahren viele Vorteile bringt, sagt Widmer. Denn die Stadtgesel­lschaft vernetze sich besser, weil Menschen miteinande­r ins Gespräch kommen, die im Alltag nichts miteinande­r zu tun haben. Davon könne jeder lernen. Das schaffe Vertrauen und baue Vorurteile ab. Zudem biete dieses Format auch den Leisen ein Forum, in dem sie zu Wort kommen, während sonst oft die Lauten den Ton angeben.

Den meisten Stadträten gefällt der Vorschlag. Einige wollen sich das in Bregenz mal anschauen. Ausprobier­en könnte man das bei der Entwicklun­g der Hinteren Insel. Dass die Stadt vor allem für die profession­ellen Moderatore­n einer Projektwer­ft ungefähr 25.000 Euro im Jahr aufbringen müsste, ist laut Widmer und OB Gerhard Ecker kein Problem: „Wenn es uns gelingt, damit einen Bürgerents­cheid zu vermeiden, dann haben wir schon gespart.“

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SYMBOLFOTO: RAS
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ARCHIVFOTO: CF Lindaus Pressespre­cher Jürgen Widmer plant eine neue Form der Bürgerbete­iligung.

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