Mögliche EU-Klage lässt Merkel kalt
Kommission droht wegen zu schmutziger Luft mit Strafgeldern – BUND fordert Fahrverbote
BERLIN/RAVENSBURG - Deutschland kommt wegen zu schmutziger Luft in vielen Städten immer stärker unter Druck: Die EU-Kommission will die Bundesregierung mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen. Letztlich drohen hohe Strafgelder. Kanzlerin Angela Merkel reagierte gelassen und ließ keine Absicht zu zusätzlichen Maßnahmen erkennen. Die CDUPolitikerin erklärte am Rande des EU-Gipfels in Sofia, die Bundesregierung habe in „beispielloser Weise“Förderprogramme aufgelegt: „Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg.“Sie verwies zudem auf die Verantwortung der Kommunen.
EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hatte zuvor in Brüssel gesagt, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Italien und Rumänien hätten keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um die Grenzwerte für Stickoxide (NOx) so schnell wie möglich einzuhalten. Die EUGrenzwerte sind seit 2010 verbindlich. In Deutschland wurden sie jedoch noch 2017 in 66 Städten überschritten. Hierfür werden in erster Linie Dieselautos verantwortlich gemacht.
Aus Sicht von Andreas Schwarz, Fraktionschef der Grünen im Stuttgarter Landtag, hat sich Berlin die Klage selbst eingebrockt. „Das hätte der Bund vermeiden können, wenn er mit der blauen Plakette die schnellste und effektivste Lösung für saubere Luft zulassen würde. Zu lange hat der Bund auch auf freiwillige Maßnahmen der Autoindustrie gesetzt“, sagte Schwarz der „Schwäbischen Zeitung“. Mit Blick auf die Diskussion um Fahrverbote in Stuttgart hieß es von Grünen und CDU im Land am Donnerstag, man wolle nun zunächst die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig abwarten. Die obersten deutschen Verwaltungsrichter hatten am 27. Februar entschieden, dass Städte und Kommunen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen dürfen.
Die Umweltorganisation BUND forderte erneut ein solches Fahrverbot für Stuttgart. „Die Klage der EUKommission zeigt klar: Die von der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen reichen nicht aus, damit unsere Luft in absehbarer Zeit sauberer wird“, sagte Südwest-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch.
BERLIN - Der Druck auf Innenminister Horst Seehofer (CSU) wächst. Nach dem Skandal in der Bremer Außenstelle des Flüchtlingsbundesamts (Bamf), das über 1200 Asylverfahren ohne Rechtsgrundlage bewilligte, wird die Kritik an Seehofers Flüchtlingspolitik und an den Zuständen in den Behörden lauter. FDP und Grüne drohten dem Innenminister einen Untersuchungsausschuss an. Seehofer zeigt sich demgegenüber jetzt offen.
„Für mich ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses keine Bedrohung“, erklärte Seehofer während der Debatte zum Etat des Innenministeriums am Donnerstag im Bundestag. Es sei bereits vor seiner Amtszeit zu den „Unregelmäßigkeiten“in der Bremer Bamf-Außenstelle gekommen, verteidigte sich Seehofer. Auch die Kanzlerin hatte den Innenminister einen Tag zuvor in Schutz genommen und angemerkt, dass er noch keine 100 Tage im Amt sei.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien ebenfalls vor seiner Amtszeit aufgenommen worden, so Seehofer. Kurz nach Antritt seines Ministeramtes habe er die Vorfälle dann zum Anlass genommen, eine Systemprüfung durch den Bundesrechnungshof zu veranlassen. Ergebnisse lägen noch nicht vor.
Eine frühere Leiterin des Bremer Bamf steht im Verdacht, über 1200 Asylanträge ohne rechtliche Grundlage bewilligt zu haben. „Ich bleibe dabei, dass im Bamf gute Arbeit geleistet wird. Das Fehlverhalten an einer Stelle, darf nicht allen Beschäftigten dort zur Last gelegt werden“, sagte Seehofer.
Anker-Zentren ab Herbst
Überrascht zeigte sich Seehofer über die Kritik der SPD an den geplanten Anker-Zentren. „Die Leute waren bei den Koalitionsverhandlungen dabei und haben im Detail mitverhandelt und jetzt üben sie Kritik“, so der Innenminister. Er hält weiter an seinem Plan fest, im Herbst mit den ersten Piloteinrichtungen zu starten. Die Anker-Zentren seien gut durchdacht und sollen Asylverfahren in Deutschland vereinfachen, so Seehofer: „Künftig wird der Beginn des Asylverfahrens mit dem Beginn des Abschiebeverfahrens zusammenfallen.“
Die Oppositionsparteien kritisierten Seehofer scharf. Stefan Ruppert (FDP) monierte, in Seehofers Rede hätten Ausführungen zu den wichtigen Themen Heimat und Bau gefehlt und Victor Perli (Linke) stellte die Frage, womit dieses Land so einen Innenminister verdient habe. „Mit jeder ihrer Aussagen spalten Sie das Land und verstärken das Unsicherheitsgefühl“, so Perli.
Und auch Burkhard Lischka von der Koalitionspartei SPD griff Seehofer frontal an: „Sie sind mit einem Budget von 14 Milliarden Euro der reichste Innenminister aller Zeiten. Aber sie verhalten sich wie ein überraschter Lottogewinner, der nicht weiß, was er mit dem vielen Geld anfangen soll.“Er forderte Seehofer auf, seinen Worten Taten folgen zu lassen und bezüglich des Bamf und der Anker-Zentren Klarheit zu schaffen.
Gottfried Curio (AfD) setzte den harten Ton, den die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel am Vortag angeschlagen hatte, fort. Er warf der GroKo „terroristische Nachwuchsförderung“vor. „Wer die Grenzen nicht schließt, ist für jede Messerattacke mitverantwortlich“, sagte er.
Nach Curio trat Martin Gerster, SPD-Abgeordneter aus Biberach, ans Rednerpult. „Ich könnte jetzt auf diese unglaubliche Hetze eingehen. Das tue ich aber nicht. Ich will meine Redezeit dafür nicht opfern“, sagte Gerster. Stattdessen sprach er sich für den Haushaltsentwurf aus. „Während andere verbal aufrüsten und auf Spaltung, Hass und Hetze setzen, investieren wir in Personal, in Prävention und Integration“, so Gerster.