„Hauptsache, halb Mannheim schaut hinterher“
In der nordbadischen Großstadt kämpft die Polizei vermehrt gegen sogenannte Poser, die mit ihren aufgemotzten Autos infernalisch lärmen
MANNHEIM (dpa) - „Festhalten“, ruft Polizeihauptkommissar Michael Schwenk. Dann schießt der als Zivilauto getarnte Dienstwagen nach vorne. Binnen Sekunden verkürzt das hubraumstarke Fahrzeug den Abstand auf einen verdächtigen Kleinwagen und schert ein. Schwenks Kollege Ralf Mayer stoppt das Auto mit einer Kelle. Der junge Mann am Steuer ist völlig überrascht. Schnell werden die Mannheimer Beamten fündig: Eine Lärmmessung am Auspuff des Wagens mit Kaiserslauterner Kennzeichen ergibt weit mehr als die in den Papieren eingetragenen 80 Dezibel. Schwenk und Mayer ziehen das Auto vorerst aus dem Verkehr – ein Störenfried weniger.
„Bei Posern ist es oft das Gleiche“, sagt Mayer und sortiert die Strafanzeigen in seiner Mappe. „Nix auf der Kette – aber Hauptsache, halb Mannheim schaut mir hinterher.“Poser – so nennt die Polizei junge Männer, die mit dickem Auspuff und heulendem Motor auf der Suche nach Beachtung durch Mannheim brettern. PS-Protzer gibt es auch anderswo, aber – so scheint es – selten so viele wie hier. „Für Poser sind die enge Bebauung und die quadratische Streckenführung ideal“, meint Mayer.
Unweit des historischen Wasserturms schert das Fahrzeug, das nicht als Polizeiwagen zu erkennen ist, vor einem Auto mit Heidelberger Kennzeichen ein. „Da ist schwarze Folie auf den Scheiben. Das beeinträchtigt die Verkehrssicherheit und ist verboten“, sagt Schwenk. Der Fahrer gibt sich unwissend. „Das Auto habe ich so gekauft“, sagt der etwa 40-Jährige. „50 Euro und Folie entfernen, okay?“fragt Schwenk. Das Erlöschen der Betriebserlaubnis wäre teurer: Die Ordnungswidrigkeit kostet auch einmal 270 Euro.
Harmonisch verlaufen die Kontrollen selten. Aber Schwenk und Mayer sind routiniert in Deeskalation. Zudem sind Poser keine Schläger. Aber viele sind Wiederholungstäter. Strafen scheinen sie nicht zu schrecken. Werden sie verurteilt, zahlen sie für Manipulationen und müssen ihre Boliden in den Ursprungszustand versetzen lassen. Das häufige Muster: Illegale Umbauten am Auspuff und rund um die Räder, die machen die Autos laut, modisch – und gefährlich für den Verkehr.
In Internetforen beklagen User oft eine „Kriminalisierung“der Szene. Es werde „zu hart vorgegangen“und „Lärm sei keine Gewalt“, heißt es etwa. Besonders ärgert Autobesitzer die Vermengung von Posern, Tunern und Rasern. „Poser versuchen offenbar, durch ihr Verhalten zusätzlich Aufmerksamkeit zu gewinnen – etwa durch Hochjubeln des Motors im Stand und quietschende Reifen“, sagte Arnulf Thiemel vom ADACTechnikzentrum Landsberg am Lech schon im vergangenen Jahr. Tuner bezeichnete er als „vielfach friedliche Menschen“. „Die putzen ihre Autos besonders heraus und freuen sich dann über Aufmerksamkeit.“
In Mannheim sind die beiden Beamten wieder unterwegs. Die Uhr zeigt fast Mitternacht. Mehrfach in der Woche fahren die beiden auf Tour. Verstärkt an Wochenenden, immer abends. Seit Beginn der diesjährigen Kontrollen Mitte April haben Schwenk und Mayer mehr als 150 Autos geprüft. In mehr als 40 Fällen erlosch die Betriebserlaubnis wegen Manipulationen. „Manchmal hat man das Gefühl, dass es mittlerweile zum Image eines Posers gehört, kontrolliert zu werden“, sagt Mayer.
Gerne würden die Polizisten einmal einen Richter mitnehmen. „Damit die sehen, mit welchem Klientel wir zu tun haben“, sagt Mayer. Die Beamten wünschen sich stärkere Kontrollen und schärfere Strafen. In Mannheim sind Poser längst ein öffentliches Ärgernis. „Mit unseren Kontrollen haben wir die einheimischen Poser etwas verdrängt“, meint Mayer. „Stattdessen kommen Poser aus der Umgebung in die Stadt.“