Kaufen und Verkaufen ist nicht alles
An Pfingsten verwandelt sich der Schrannenplatz in ein Paradies der Kreativität
LINDAU - Es gab schier unendlich viel zu entdecken auf dem Lindauer Kunsthandwerkermarkt: Sorgsam gebundene Notizbücher, filigrane Halsketten, getöpferte Kaffeetassen, zierliche Puppenmode, duftende Seifen und farbenfrohe Hüte: Ein großer Ideenreichtum offenbarte sich an den Ständen im Bereich zwischen Diebsturm, Peterskirche und Zeughaus, während sich eine heiterentspannte Atmosphäre ausbreitete.
„Der Kunsthandwerkermarkt in Lindau ist ein bisschen was Besonderes“, sagt Birgit aus Feldkirch, die das Treiben an Pfingsten rund um die altehrwürdige Peterskirche schon bei früheren Besuchen kennengelernt hat. Sie mag es, über den Kunsthandwerkermarkt zu bummeln und dann noch ein wenig am Bodensee zu verweilen. „Mit gefällt der Markt immer gut“, sagt sie, während sie Halsketten am Stand von Ina Kritiotis aus Lindau betrachtet.
„Wie geht das denn?“, fragt nur drei Stände weiter eine Frau erstaunt, als sie Holzbretter entdeckt, an denen die Kronkorken von Bierflaschen wie von Zauberhand haften. Dies weckt die Neugierde und sorgt für unterhaltsamen Gesprächsstoff am Stand. Des Rätsels Lösung: Christian Hermes und Thomas Wiest, zwei junge Männer aus Ankerreute bei Ravensburg, haben starke Magnete in die Holzbretter eingebaut und Flaschenöffner angeschraubt. Der Kronkorken wird also gleich nach dem Öffnen einer Flasche im freien Fall vom Magneten aufgefangen. Nach dem Feierabendbier noch aufräumen? Das war gestern: „I tät einen kaufen“, sagt Peter Schreiber aus Ostfildern/Esslingen, der mit seiner Frau Dorothee einen Kurzurlaub in der Bodenseeregion macht. Das gute Stück bekommt zu Hause einen Platz direkt über den Getränkekisten.
Nützlich und dekorativ
Während sich die einen von den eher nützlichen Erzeugnissen angezogen fühlen, lassen sich andere von dekorativen Dingen faszinieren. Der Vielfalt scheinen keine Grenzen gesetzt: Aus altem Silberbesteck, glänzenden Glasperlen, flauschiger Wolle und schlichten Bodenseesteinen haben Kunsthandwerker mit Fantasie und Geschick viele bemerkenswerte Dinge geschaffen. „Es ist toll, was manche Leute für Ideen haben und wie sie sie umsetzen“, sind sich Doris und Sabine aus Lindau einig, die gerade getöpferte Zaunhocker betrachten. Ihnen gefällt zudem, dass der Schrannenplatz durch den Markt belebt wird.
Verschiedene Materialen verwendet auch Ruth Kleiber aus Landsberg: Medaillons von alten Broschen, Muscheln, Halbedelsteine und vor allem feine japanische Glasperlen verarbeitet sie zu aufwendig gestickten Colliers, Armbändern und Ohrringen. Ruth Kleiber hat in jungen Jahren das Gold-, Silber- und Perlensticken an der Mode- und Kunstgewerbeschule Wien gelernt und diese Kunst vor einigen Jahren als Hobby wieder aktiviert. An ihrem Stand lässt sie sich nun bei ihrer filigranen Arbeit zusehen.
Joschi und Karin Kessler aus Friedrichshafen finden’s „faszinierend“. Den beiden gefällt der Markt. Joschi Kessler betrachtet ihn aus einer besonderen Perspektive: Er ist selbst Hobbykünstler, arbeitet mit Schwemmholz und macht sich derzeit Gedanken, ob er mit seinen Skulpturen auch mal auf den Lindauer Kunsthandwerkermarkt kommt, wie er sagt.
Prägende Momente
Immer wieder gibt es – so wie hier – auf dem Kunsthandwerkermarkt diese Momente, in denen es gar nicht so sehr ums Kaufen und Verkaufen geht. Solche Augenblicke sind geprägt von dem Erlebnis, eine handgefertigte Kostbarkeit entdeckt zu haben und die Freude daran weitergegeben zu haben. Manche Begegnung bleibt sogar lange in Erinnerung, berichtet Margret Saile aus Bad Wurzach, die mit ihrem Mann einen Tiffany-Stand betreut. Sie denkt zum Beispiel immer noch an ein Mädchen, das vor geraumer Zeit bei ihr einen besonderen Tiffany-Engel für seinen Vater ausgesucht hat, dem eine schwere Operation bevorstand. Und an diesem Pfingstsonntag war das Ehepaar Saile besonders berührt vom Besuch einer blinden Frau. Bewegt erzählen die Sailes, wie die Frau Gefallen an den bunten GlaskunstFiguren fand, obwohl sie sie gar nicht sehen konnte. Aber sie habe Formen und Material ertasten und fühlen können, während ihre Tochter die Farben beschrieb. „Wir haben so viele persönliche Erlebnisse an so einem Wochenende“, fasst Margret Saile den für sie wesentlichen Aspekt des Kunsthandwerkermarktes zusammen.