Kirchenasyl: Behörden ermitteln gegen Pfarrer
Evangelische Gemeinde in Sankt Mang in Kempten gibt wieder einem Flüchtling Schutz
KEMPTEN - Ein neuer Fall von Kirchenasyl in Kempten: Die evangelische Christuskirche in Sankt Mang gibt seit vier Wochen einem Iraner Schutz. Gegen den verantwortlichen Pfarrer Fritz Thum wird nach dessen Darstellung wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ermittelt. Der evangelische Dekan Jörg Dittmar kritisiert das scharf. Vor allem, weil sich erst im vergangenen Jahr der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in Kempten gegen strafrechtliche Verfolgung von Kirchenasyl ausgesprochen hatte. Laut bayerischem Justizministerium gebe es derzeit zwar keine Weisung an die Staatsanwaltschaften, Kirchenasyl strafrechtlich zu verfolgen. Bei einem Anfangsverdacht müsse aber ermittelt werden.
Der Iraner, der zurzeit in der Christuskirche Schutz bekommt, soll laut Thum nach Italien abgeschoben werden, wo er erstmals nach seiner Flucht in Europa registriert worden ist. Allerdings berichte der Mann, dort in zwei Camps von Sicherheitspersonal misshandelt und verletzt worden zu sein. Außerdem hätten die Flüchtlinge dort kein Essen erhalten, Sicherheitspersonal habe psychischen Druck ausgeübt. Thum: „Er hat Angst um sein Leben und wir vom Kirchenvorstand glauben ihm das.“Seine Hoffnung: Dass durch das Kirchenasyl die sechsmonatige Ausreisefrist verstreicht und dann das Asylverfahren in Deutschland abgewickelt wird.
Bereits im vergangenen Jahr wurde gegen Thum strafrechtlich wegen eines Kirchenasyls ermittelt. Der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hatte während eines Gesprächs mit der „Allgäuer Zeitung“gesagt, Kirchenasyl dürfe kein Fall für die Justiz sein. Kurz darauf wurde die Einstellung des Verfahrens bekannt.
Dass nun erneut ermittelt wird, führt Dekan Dittmar auf die bevorstehende Landtagswahl zurück. „Man zeigt besondere Härte, um AfD-Wähler für sich zu gewinnen“, sagt er mit Blick auf die neue bayerische CSU-Regierung unter Markus Söder. Gleichzeitig in Behörden Kreuze aufzuhängen, hält er für „schizophren“. Dittmar habe großen Respekt vor Thum, der sich von den Ermittlungen nicht einschüchtern ließ. „Denn genau dafür waren sie gedacht.“Dittmar zufolge sollte die Justiz ihr Personal anders einsetzen: „Ich glaube, es gibt gefährlichere Menschen als Pfarrer Thum.“
Zum Urteil des Münchner Oberlandesgerichts von Anfang Mai, wonach Kirchenasyl den Staat nicht an einer Abschiebung hindern kann, sagt Dittmar: „Eine rechtliche Wirkung beanspruchen wir auch gar nicht.“Laut Thum habe sich die Kirchengemeinde „an die Spielregeln gehalten“und sofort die Behörden informiert. „Die Polizei kann jederzeit kommen und unseren Gast mitnehmen“, sagt Dittmar: „Dann gibt es allerdings hässliche Fotos.“
Zur Asyl-Situation in Italien hat sich Dittmar vor Ort informiert während einer Fahrt nach Rom mit Kemptener Kirchenvertretern: „Die Kirchen dort sind überfordert, sie machen die Arbeit für ganz Europa.“Deshalb befürworte er das Kirchenasyl in Kempten. „Biblisch gesprochen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“