Debatte um Kita-Gebühren
Arme Familien werden laut neuer Studie stärker belastet
BERLIN (sal) - Arme Familien zahlen prozentual mehr für Kitas als besser verdienende Eltern. Sie müssen fast zehn Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Betreuung ihrer Kinder ausgeben, die anderen nur gut fünf Prozent. Das zeigt die Studie „Eltern-Zoom-2018“der Bertelsmann-Stiftung. Laut der am Montag veröffentlichten Studie fehlen bundesweit die Mittel, die Kitas mit mehr Personal besser auszustatten. Trotzdem bleibt Bundesfamilienmi- nisterin Franziska Giffey (SPD) bei ihrem Ziel, Gebührenfreiheit anzustreben. Hohe Elternbeiträge könnten eine Hürde sein, sagte Giffey. Deshalb sei der Einstieg in Gebührenfreiheit nötig. Außerdem kündigte sie eine Fachkräfteoffensive an.
Die Gebühren schwanken von Land zu Land. Sie reichen von zwei Prozent des Haushaltsnettoeinkommens (Berlin) über 6,4 Prozent (Baden-Württemberg) bis zu 8,9 Prozent in Schleswig-Holstein.
BERLIN - Kita-Gebühren in Deutschland sind nach Einkommen gestaffelt und von Land zu Land unterschiedlich hoch. Der Durchschnittsbeitrag der Eltern liegt bei 173 Euro monatlich. Doch während in RheinlandPfalz nur noch 36 Prozent der Eltern einen Beitrag zahlen, sind es in Baden-Württemberg 96 Prozent. Das zeigt eine Studie der BertelsmannStiftung „Eltern-Zoom 2018“, für die Infratest dimap über 10 000 Eltern befragte.
Die Beiträge seien unfair verteilt, heißt es darin. Haushalte, die unter der Armutsrisikogrenze liegen, müssen einen fast doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens (9,8 Prozent) für die Kita aufwenden wie Besserverdienende. Denn auch wenn die Beiträge gestaffelt sind, machen sie für arme Familien mit rund 118 Euro monatlich prozentual immer noch mehr aus als für Durchschnittsverdiener.
Höchste Belastung im Nordosten
„Die Beitragsstaffelungen sind nicht ausreichend, um armutsgefährdete Familien tatsächlich in Relation zu ihrem Haushaltsnettoeinkommen zu entlasten, heißt es in der Studie. Denn der Durchschnittsbeitrag von 173 Euro macht im Schnitt 5,6 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens aus. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es Eltern, die bis zu 22 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens zahlen müssen. In Berlin ist die Belastung mit 2,0 Prozent des Einkommens am geringsten, in Baden-Württemberg (6,5 Prozent) und Bayern (5,9 Prozent) liegt sie im Mittelfeld. 91 Prozent der Eltern zahlen Zusatzbeiträ- ge von im Schnitt 45 Euro, das Mittagessen (41 Euro) ist dabei der größte Posten.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) will ihrem Plan treu bleiben, möglichst viele Kitas gebührenfrei zu stellen. Dazu gibt der Bund in dieser Legislaturperiode 3,5 Milliarden Euro. Doch dies reicht nicht, sagt die Studie der Bertelsmann-Stiftung. Wollte man alle Eltern bundesweit von Beiträgen und Zusatzgebühren befreien, wäre man bei 7,3 Milliarden Euro im Jahr.
Hinzu kommt: Viele Eltern wünschen sich eine Qualitätssteigerung der Kita. Mehr als die Hälfte der Eltern sind bereit, für eine höhere Qua- lität der Kitas mehr zu bezahlen, sogar eine Mehrheit der ärmeren Eltern. Die Wunschliste: Eltern wollen zu 60 Prozent zusätzliches Personal, zu 41 Prozent eine bessere Bezahlung für Erzieher, zu 33 Prozent eine bessere Ausstattung und 28 Prozent flexiblere und längere Öffnungszeiten.
Beim Personal investieren
Nach Analysen der Studie ist in drei Bereichen der Qualitätsausbau nötig: Personal, Leistungsausstattung und Mittagessen. Das würde Kosten von acht Milliarden verursachen. Die Studie empfiehlt deshalb, statt Gebührenfreiheit für alle erst einmal Eltern unterhalb der Armutsrisikogrenze von den Kita-Beiträgen und Zusatzgebühren zu befreien. Das würde 730 Millionen Euro kosten.
Die baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier meint: „Gebührenfreiheit und hohe Qualität in den Kitas dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. “Schließlich stelle die Gebührenfreiheit bei allgemein bildenden Schulen auch niemand infrage. Die Landesregierung fordert Breymaier auf, die neuen Fördermittel des Bundes für die Betreuung von Kindern im Vorschulalter zu verdreifachen und damit Schritt für Schritt Gebührenfreiheit in Baden-Württemberg zu ermöglichen.