Bund macht Daimler Druck
Zahlen zu möglichen Manipulationen binnen 14 Tagen
BERLIN (dpa) - Angesichts neuer Abgasvorwürfe gegen den Stuttgarter Autobauer Daimler will der Bund binnen zwei Wochen Klarheit über das Ausmaß möglicher Manipulationen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte nach dem Gespräch mit Konzernchef Dieter Zetsche am Montag in Berlin, Ziel sei, genaue Zahlen zu ermitteln. „Bei einem weiteren Treffen in 14 Tagen werden die konkreten Ergebnisse auf dem Tisch liegen.“Das Kraftfahrt- Bundesamt (KBA) hatte bei einem Modell des Kleintransporters Vito eine unzulässige Abgastechnik festgestellt, Daimler streitet dies ab.
Besorgt zeigte sich derweil Michael Brecht, der Chef des DaimlerGesamtbetriebsrats. Er forderte eine lückenlose Aufklärung. „Es gilt, Transparenz zu schaffen“, betonte er nach einem Telefonat mit Zetsche, in dem er ihm auch die Sorge der Belegschaft um den Ruf des Unternehmens geschildert hatte.
BERLIN - Auch nach dem Besuch von Daimler-Chef Dieter Zetsche bei Verkehrsminister Andreas Scheuer am Montag in Berlin ist für den Autobauer der Abgasskandal noch nicht vom Tisch. 14 Tage hat Zetsche jetzt Zeit, um die Vorwürfe möglicher Abgasmanipulationen an Dieselfahrzeugen zu klären. Kern der Frage ist, um wie viele manipulierte Autos es sich nun tatsächlich dreht. Sind es 5000 oder eine Million?
Zetsche bezeichnete das Treffen als „gutes Gespräch“. „Wir werden jetzt einen vertieften Austausch vornehmen mit dem Ziel, anhand unserer konkreten Prüfungen die genaue Zahl der betroffenen Modelle zu ermitteln“, sagte Scheuer nach dem Termin.
Bisher stellte sich Daimler auf den Standpunkt, keine illegale Motorsteuerung zu verwenden, die wie bei VW, Audi und Porsche dafür sorgt, dass die Fahrzeuge die Stickoxid(NOx)-Grenzwerte auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße aber nicht. Nun jedoch ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt, das Scheuer untersteht, einen Rückruf für knapp 5000 Mercedes Vito 1.6 Liter Diesel Euro 6 an. Begründung: eine „unzulässige Abschalteinrichtung“stecke im Motor, „die im Betrieb der Fahrzeuge zu erhöhten NOX-Emissionen“führen könne. Mercedes soll das SoftwareProgramm ändern.
Daimler bestreitet dies. „Die Funktionen sind Teil eines komplexen Abgasreinigungssystems, das eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs sicherstellen soll.“Gegen den Bescheid werde man „Widerspruch einlegen“und falls erforderlich „die strittige Rechtsauslegung vor Gericht klären lassen“.
Arbeitnehmer haben Angst
Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht hat eine lückenlose Aufklärung gefordert. „Es gilt, Transparenz zu schaffen“, betonte er nach dem Treffen . Brecht erklärte, er habe im Anschluss mit Zetsche telefoniert und ihm die Sorge der Belegschaft um den Ruf des Unternehmens geschildert. „In den Daimler-Werken greift die Angst um sich, dass an den Vorwürfen zum Vito etwas dran ist“, betonte er. „Wir als Arbeitnehmervertreter nehmen diese Angst ernst. Wir erwarten von allen Verantwortlichen auf Unternehmensseite, dass sie dies auch tun.“
„Der Rückruf für den Vito betrifft nur eine kleine Teilmenge“, sagte Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. „Möglicherweise sind bis zu einer Million Mercedes-Fahrzeuge betroffen. Vielleicht geschieht ein Wunder, und das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet auch dafür Rückrufe an.“Resch spielte darauf an, dass Fahrzeuge der C- und GKlasse von Mercedes durch ähnliche Motoren angetrieben werden, wie die betroffenen Vito. Die Umwelthilfe behauptet, mit eigenen Abgasmessungen bei zahlreichen Automodellen nachgewiesen zu haben, dass diese die Grenzwerte im Normalbetrieb überschreiten. Axel Friedrich, der die Messungen der Umwelthilfe vornahm, erkennt im Vito-Rückruf eine neue Politik: „Das KraftfahrtBundesamt hat dazugelernt. Eine Rückruf-Anordnung wie jetzt beim Vito wäre vor zwei Jahren nicht erfolgt.“Zwar hat das Amt den Volkswagen-Konzern mehrfach verpflichtet, Fahrzeuge zurückzuholen. VW hatte allerdings selbst eingeräumt, Betrugssoftware zu verwenden.
Ministerin will Stufenplan
Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer betrachtet die Mercedes-Geschichte dagegen nur als „Theaterdonner“. Meinte es die Bundesregierung ernst, müsse sie die Autohersteller zu Hardware-Nachrüstungen der Motoren verpflichten.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) geht jetzt auf die Hersteller zu. „Mir geht es nicht darum, sofort flächendeckend in Deutschland alle Diesel nachzurüsten.“Sie plädiere für einen Stufenplan und dafür, zunächst gezielt Fahrzeuge dort nachzurüsten, wo die Luft besonders schlecht ist und Fahrverbote drohen. Die Gesamtkosten lägen „dann eher im niedrigen einstelligen Milliardenbereich“. Zahlen müsste die Automobilindustrie.