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Italiens Interimsregierungschef Carlo Cottarelli, 64, verheiratet, zwei Kinder, wirkt immer sehr ausgeglichen und gelassen. Nichts scheint ihn aus der Ruhe zu bringen. Der aus Cremona stammende Wirtschaftswissenschaftler machte sich nach seinen Studien in Siena und London schnell als Finanzexperte der italienischen Notenbank einen Namen. Bekannter wurde er durch seinen Job beim Weltwährungsfond FMI in Washington, wo er als Experte für die europäische Finanz-, Steuerund Schuldenpolitik Karriere machte. Für den FMI betreute er zehn europäische Staaten, darunter auch Italien und Großbritannien. Von 2008 bis 2013 war er Direktor der Steuerabteilung des FMI.
Es war Italiens damaliger sozialdemokratischer Regierungschef Enrico Letta, der Cottarelli 2013 als Sparkommissar nach Rom berief, um eine sogenannte „Spending Review“zu erstellen, eine Liste aller öffentlichen Ausgaben, die man einsparen und streichen kann. Doch Lettas Nachfolger Matteo Renzi gefiel der zwar freundliche, aber strenge Chefkontrolleur überhaupt nicht. Renzi schickte ihn wieder zum FMI ins ferne Washington. Seit Ende 2017 ist Cottarelli erneut in Italien, als Direktor des Zentrums für öffentliche Ausgaben der Mailänder Università Cattolica.
Cottarelli gilt als gemäßigter Christdemokrat mit Sympathien für Sozialdemokraten, und er gilt als ausgemachter Gegner populistischer Parteien. In diesem Sinn ist er ein Traumkandidat für eine Übergangsregierung von Gnaden des Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Doch aller Voraussicht nach wird Cottarelli nicht lange im Amt bleiben, denn es sind die Populisten Italiens, die ihm im Parlament ihr Vertrauen nicht aussprechen werden.
Thomas Migge