„Dieses Handeln war grob verkehrswidrig“
Fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung vor dem Amtsgericht – Sechsmonatiges Fahrverbot für Fahrerin
KRESSBRONN - Der Vorfall auf der B 31 zwischen Kressbronn und Friedrichshafen ging gerade nochmal gut. Eine knapp 21-Jährige hat am 18. Dezember 2017 im PS-starken BMW ihres Freundes trotz eines entgegenkommenden Lastwagens überholt, abgebremst und, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden, vor einem Sprinter und einem VW-Transporter wieder eingeschert. Weil sie deren Insassen gefährdete, zeigten diese die 21-Jährige an. Am Montag musste sich die junge Frau vor dem Richter im Neuen Schloss in Tettnang wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung verantworten.
Dass sie zur Führung eines Fahrzeugs nicht geeignet ist, befand das Gericht im Januar. Damals wurde der jungen Kressbronnerin die Fahrerlaubnis für vier Monate entzogen. Vor dem Amtsgericht schilderte sie am Dienstag, wie sie an dem Tag mit einer Freundin gegen 18 Uhr von Kressbronn nach Friedrichshafen zum Shoppen fuhr und auf dem Weg einen mit nur 80 Stundenkilometern vor ihr fahrenden VW-Transporter überholte. „Grenzwertig“, nannte Richter Martin Hussels-Eichhorn den eingeleiteten Vorgang an dieser Stelle im Bereich der Einfahrt Langenargen-Oberdorf, und erkannte: „Dieses Handeln war grob verkehrswidrig“.
Die Fahrerin des BMW habe ihn rechts auf der Beschleunigungsspur vor dem Eriskircher Tunnel überholt, berichtete der Fahrer dieses VW-Transporters. Er sei auf der leicht nassen Straße um die 100 Stundenkilometer gefahren, sah den Laster entgegenkommen und dachte sofort an einen Unfall. Der Sprinterfahrer hatte seinen Tempomat auf 80 Stundenkilometer eingestellt, als ihm der BMW mit hoher Geschwindigkeit folgte und so dicht auffuhr, dass er dessen Scheinwerfer nicht mehr sah. Immer wieder sei die Fahrerin nach links und rechts ausge- schert und habe trotz der nur 150Meter-Entfernung zum Gegenverkehr zum Überholen angesetzt. Er selbst habe auf etwa 40 Stundenkilometer abgebremst, der BMW habe überholt und sei unmittelbar vor ihm eingeschert. „So etwas ist mir noch nie passiert“, sagte er vor Gericht. Und das, obwohl er jedes Jahr zwischen 30 000 und 40 000 Kilometer im Auto unterwegs ist.
Ein Kläger vor Gericht
Fahrverbot ist fast abgegolten
Keinerlei Zweifel, dass der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit und Rücksichtslosigkeit zutrifft, äußerte die Staatsanwaltschaft. „Die Zeit hat gedrängt, das kam in der Fahrweise zum Ausdruck“. Erster markanter Anhaltspunkt dafür, dass die Angeklagte es eilig hatte, sei, dass sie schon am VW-Transporter auf einer Einfädelspur „rechts vorbeischoss“. „Es war dunkel und es herrschte sichtbarer Gegenverkehr, da überholt man nicht“, stellte der Anklagevertreter fest. Er warf der damals 21-Jährigen vor, mit ihrer Fahrweise mehrere Personen erheblich gefährdet zu haben, um noch schnell zum Einkaufen zu kommen.
Sein Strafantrag: Eine Verurteilung nach dem Erwachsenenstrafrecht zu 90 Tagessätzen a 10 Euro sowie weitere vier Monate Entzug der Fahrerlaubnis. „Nur haarscharf wurde ein Unfall vermieden, es hätte fürchterlich krachen können“, sagte der Oberstaatsanwalt. Dass es nicht so weit kam, sei nicht das Verdienst der Angeklagten.
Verteidiger Gerd Pokrop sah das etwas anders. Seine Mandantin sei durch die langsame Fahrweise der Vorausfahrenden zum Überholmanöver provoziert worden. Er erinner- te an „Wackeldackelträger“und Autofahrer, die regelmäßig tagsüber 30 Stundenkilometer fahren, obwohl diese Beschränkung nur nachts gilt. Außerdem: Seine Mandantin sei nicht in Eile losgefahren, sie habe zum beabsichtigten Einkaufen in Friedrichshafen „alle Zeit“gehabt, lediglich die Situation falsch eingeschätzt und ein „Augenblicksversagen“begangen. Zugutehalten solle man ihr, ehrlich gewesen, sich als Fahrerin bekannt und zur Polizei gegangen zu sein, nachdem sie nicht erkannt worden war und der Freund der Halter des Fahrzeugs ist.
Das Gericht verurteilte die junge Abiturientin, die vor dem Beginn einer Ausbildung steht, wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu 50 Tagessätzen à fünf Euro und sechs Monaten Fahrverbot, von dem vier bereits abgegolten sind. Ab dem 20. Juli gibt’s den Führerschein wieder. „Sie haben Glück gehabt“, gab ihr Richter Martin Hussels-Eichhorn mit auf den Weg.
„So etwas ist mir noch nie passiert.“