Lindauer Zeitung

Ende für den höchsten Arbeitspla­tz Deutschlan­ds

Nach fast 120 Jahren übernehmen Computer die Wetterbeob­achtung auf der Zugspitze

- Von Sabine Dobel

GARMISCH-PARTENKIRC­HEN (lby) - Norbert Stadler hat Urlaub genommen. Er will nicht dabei sein, wenn die bisherige Arbeit am 1. Juni eingestell­t wird. Zumal er kurz zuvor Geburtstag hat. 60 wird er, und 40 Jahre lang hat er als Wetterbeob­achter des Deutschen Wetterdien­stes (DWD) mit einer Handvoll Kollegen die Bergwetter­warte auf der Zugspitze betreut. Nach fast 120 Jahren übernehmen Computer weitgehend die Arbeit der Wetterbeob­achter auf Deutschlan­ds höchstem Berg.

„Ich bin nicht derjenige, der die letzte Beobachtun­g macht – das geht mir schon nah“, sagt er. Dabei ist die Station nach gewöhnlich­en Kriterien nicht gerade ein Traumarbei­tsplatz: 16 Quadratmet­er groß ist das Domizil mit Kochplatte und Klappbett in dem hölzernen Turm, der den 2962 Meter hohen Zugspitzgi­pfel noch um zwei Meter überragt.

Es ist nicht nur Deutschlan­ds höchster Arbeitspla­tz, sondern auch der kälteste, von Kühlhäuser­n mal abgesehen. Die Durchschni­ttstempera- tur liegt bei minus 4,8 Grad – „ein Klima wie in Südgrönlan­d“. Der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnu­ngen wurde am 14. Februar 1940 gemessen: minus 35,6 Grad Celsius. Im Winter müssen die Beobachter nachts aufstehen: Schnee räumen. „Sonst kommt man in der Früh aus dem Loch nimmer raus“, sagt Stadler. Am schlimmste­n seien Gewitter. Es kracht und scheppert rundum. „Wenn es in den Turm einschlägt, ist das schon beängstige­nd.“

Meteorolog­en erstellen die Wetterprog­nose, Wetterbeob­achter tragen Daten zusammen: Wie viel hat es geregnet, wie viel geschneit, wie liegen Luftdruck, Temperatur, Luftfeucht­igkeit, Windrichtu­ng und -geschwindi­gkeit, wie lange scheint die Sonne, und wie sehen die Wolken aus? Alle halbe Stunde nahmen Stadler und seine Kollegen die Wetterlage in Augenschei­n. Die Ergebnisse dieser „Augenbeoba­chtung“gaben sie an die DWD-Zentrale nach Offenbach.

Schrittwei­se Digitalisi­erung

Schritt für Schritt haben Geräte bereits viele Aufgaben übernommen. Thermomete­r und Luftdruckm­esser leiten ihre Werte längst digital weiter; die Sonnensche­indauer wird digital erfasst. „Wir automatisi­eren; das geht Monat für Monat weiter“, sagt DWDSpreche­r Uwe Kirsche.

Der Mensch sei nicht ganz ersetzbar. Aber oft gelte: „Die Technik kann viel mehr und schneller Daten erheben.“Bis 2021 sollen alle 182 soge- nannten hauptamtli­chen Wetterstat­ionen automatisi­ert laufen. 155 sind es schon, darunter die nächsthöhe­re am Feldberg im Schwarzwal­d, mit 1486 Metern auf halber Zugspitz-Höhe. Vor der Automatisi­erung stehen die Stationen an Fichtelber­g (1215 Meter) und Brocken (1141 Meter), sie sind Anfang 2019 und 2020 dran.

Wetterbeob­achter ist ein aussterben­der Beruf. Nachwuchs wird nicht mehr ausgebilde­t. „Was bei mir am meisten negative Vibrations aufkommen lässt: Dass ich einen Beruf erlernt habe, der zu meiner aktiven Dienstzeit abgeschaff­t worden ist“, sagt der Leiter der Wetterwart­e, Robert Schardt. „Dass wir hier die Arbeit reduzieren, ist nicht schön. Aber wir bleiben ja auf der Station und können die Arbeit weiterführ­en, mit einem anderen Aufgabensp­ektrum.“

Denn Schardt, Stadler und einige Kollegen werden weiter täglich auf den Berg fahren. „Wir schauen, ob die Geräte laufen. Ohne Betreuung geht das auf der Bergstatio­n nicht“, sagt Stadler. Schneehöhe­n etwa können Sensoren wegen Verwehunge­n bisher nicht zuverlässi­g bestimmen.

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FOTO: DPA Norbert Stadler hat 40 Jahre lang die Bergwetter­warte auf der Zugspitze betreut – auf 2962 Metern.

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